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Politische Bildung - eine ewige Baustelle

Von Elisabeth Graf

Gastkommentare
Elisabeth Graf ist Universitätsassistentin und Doktorandin am Institut für Psychologie der Entwicklung und Bildung an der Universität Wien.
© Ines Blatterer

Die Kluft zwischen Lehrplan und Realität ist immer noch groß.


Wie lernen wir über Politik, wie bilden wir uns eine Meinung, und wie erlernen wir die Fähigkeiten, um uns in der Gesellschaft zu beteiligen? Lange Zeit galt als Antwort auf diese Frage: Wir tun das durch unsere Eltern. Doch in den vergangenen Jahrzehnten ist zunehmend die Rolle der Schule in den Mittelpunkt gerückt. Diese soll zukünftige Generationen auf ein aktives Leben in der Gesellschaft vorbereiten.

Die dahinterliegenden Überlegungen: Schulen schaffen demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler in einem meist heterogenen Umfeld. Sie bieten die Chance, in der Gesellschaft existierende Ungleichheiten bezüglich politischer Beteiligung auszugleichen. Die Bedeutung der Schule, jungen Menschen Raum für politische Meinungsbildung und -äußerung zu geben, wurde nicht zuletzt durch Klimakrise und Corona-Pandemie augenscheinlich. Doch in der Umsetzung und Zielerreichung sind Schulen immer noch mit vielen Herausforderungen konfrontiert.

Gelebte Demokratie in der Schule

Im Zuge der Wahlrechtsreform 2007, die durch Wählen ab 16 Jahren auf allen Ebenen Österreich als europäisches Vorreiterland hervorbrachte, wurden eine Reihe bildungspolitischer Reformen umgesetzt. Politische Bildung wurde als Schulfach in Kombination mit Geschichte und Sozialkunde ab der 8. Schulstufe eingeführt. Ein neuer Erlass zum Unterrichtsprinzip im Jahr 2015 sollte außerdem sicherstellen, dass Politische Bildung im Schulalltag gelebt wird. Das heißt konkret, dass aktuelle politische Themen und Mitbestimmungsmöglichkeiten in den regulären Unterricht unterschiedlicher Fächer einbezogen werden sollen.

Aus bildungspsychologischer Sicht ist vor allem das Unterrichtsprinzip ein spannender Aspekt. Durch gelebte Demokratie in der Schule können Schülerinnen und Schüler in ihrer politischen Wirksamkeit gestärkt werden - in ihrem Gefühl, die Fähigkeit zu haben, sich in der Gesellschaft einbringen zu können. Das Unterrichtsprinzip ermöglicht es zudem, auf aktuelle politische Themen, die sie beschäftigen, zu reagieren und sie in den Unterricht einzubeziehen. Dadurch wird die Relevanz politischer und sozialer Themen im Alltag sichtbar.

Ein in der Forschung viel untersuchtes Konzept sind Diskussionen über politische und soziale Themen beziehungsweise das währenddessen wahrgenommene Klassenklima. Diskussionen tragen wesentlich zur Meinungsbildung der Schülerinnen und Schüler bei und können politisches Interesse, Wirksamkeit und Partizipationsmotivation der jungen Menschen fördern.

Die tatsächliche Umsetzung der Politischen Bildung und deren Wahrnehmung durch die darin Unterrichteten hinkt aber immer noch den Vorgaben des Lehrplans nach. Laut Angaben der Direktionen in einer internationalen Vergleichsstudie aus dem Jahr 2009 erfuhren nur 44 Prozent der Schülerinnen und Schüler in der 8. Schulstufe in Österreich Politische Bildung im Rahmen regulärer Unterrichtsfächer. Inwiefern sich dies bisher geändert hat, kann aufgrund der fehlenden Teilnahme Österreichs an den Folgestudien nur schwer beurteilt werden.

Fehlende Zeit und Ausbildung

Die Erkenntnis über die geringe Umsetzung deckt sich aber auch mit Erkenntnissen aus dem Demokratiemonitor 2021, in dem knapp die Hälfte der Schülerinnen und Schüler angab, in der Schule zu wenig politische Sach- und Medienkompetenz vermittelt zu bekommen. Fehlende Zeit und Ausbildung werden von Lehrpersonen als häufige Barrieren genannt, Politische Bildung umzusetzen.

Neue Ansätze wie zum Beispiel der erste Masterlehrgang für Politische Bildung an der Johannes-Kepler-Universität Linz geben jedoch Grund zur Hoffnung, dass es in den nächsten Jahren mehr kompetente Lehrkräfte für die professionelle Vermittlung Politischer Bildung geben könnte. Nur mit kompetenten, motivierten und engagierten Lehrerinnen und Lehrern lassen sich die Ziele umsetzen und Politische Bildung in den Alltag der Schule integrieren.