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Importzölle wären wirkungsvoller als ein Embargo

Von Franz Nauschnigg

Gastkommentare
Franz Nauschnigg war bis zu seiner Pensionierung im Mai 2019 Abteilungsleiter für Integrationsangelegenheiten und Internationale Finanzorganisationen in der Oesterreichischen Nationalbank. In den 1990er Jahren beriet er die Finanzminister Andreas Staribacher, Viktor Klima und Rudolf Edlinger.
© Christine Weinberger

Ein Boykott von russischem Öl würde der EU womöglich mehr schaden als Russland.


Mit dem Vorschlag der EU-Kommission eines Embargos gegen russisches Öl wird möglicherweise die EU mehr geschädigt als Russland. Schon mit dem Vorschlag hat sich Rohöl der Sorte Brent um 1,2 Prozent auf 106,19 Dollar je Barrel verteuert. Der Preisanstieg für russisches Öl könnte die Mengeneffekte überkompensieren. Russland würde dann weniger Öl exportieren, dafür aber höhere Preise kassieren. Daher plädieren viele Experten stattdessen schon länger für Importzölle. US-Finanzministerin Janet Yellen hat bei der IWF-Jahrestagung die EU vor einem Öl-Embargo gewarnt, weil dies zu Preissteigerungen führen würde. Andere Staaten würden weiterhin Öl und Gas von Russland beziehen. "Das Ganze könnte tatsächlich nur sehr geringe negative Auswirkungen auf Russland haben", so Yellen, "denn obwohl Russland weniger exportieren könnte, würde der Preis, den es für seine Exporte erhält, steigen."

Der Öl- und Gasmarkt ist dadurch gekennzeichnet, dass Angebot und Nachfrage kurzfristig kaum und längerfristig nur sehr träge auf Preisänderungen reagieren. Dies führt zu großen Preisschwankungen, wenn Nachfrage oder Angebot sich ändern. Bei einem Embargo würden die russischen Exportmengen von Öl und Gas am Markt fehlen und dadurch die Preise stark steigen, wovon wiederum Russland profitieren würde.

Hingegen würden EU-Importzölle von 50 Euro je Barrel Öl und 50 Euro je aus Gas erzeugter Megawattstunde sowie auf Ölprodukte die Einnahmen Russlands drastisch senken, da die Preise derzeit etwas über 100 Euro je Barrel Öl und je Megawattstunde bei Gas liegen. EU-Importzölle wären auch WTO-kompatibel, da die sicherheitspolitische Ausnahmeklausel greifen würde. Die Einnahmen sollten zweckgebunden investiert werden: in die Unterstützung der Ukraine, in die Flüchtlingshilfe und in die strategische Autonomie der EU auf dem Energiesektor. Russland würde versuchen, sein Öl und Gas an alternative Abnehmer zu verkaufen, dies wäre aber nicht zuletzt mangels Transportkapazitäten schwierig. Es keine ausreichenden Pipelines beziehungsweise Tanker für Lieferungen nach China oder Indien. Die russischen Exporte würden sinken und dadurch den Weltmarktpreis antreiben.

Die EU sollte versuchen, auch andere Länder von Importzöllen zu überzeugen. Russland muss schon jetzt sein Öl mit einem Rabatt von 20 bis 30 Prozent verkaufen, um überhaupt Abnehmer zu finden. Die beiden großen Öl- und Gasimporteure China und Indien, die über Preissteigerungen nicht erfreut sind, könnten auch für Importzölle beziehungsweise höhere Rabatte gewonnen werden. Insgesamt stellen daher EU-Importzölle eine wesentlich wirkungsvollere Sanktion gegen Russland dar als ein Embargo.

Die Internationale Energieagentur hat übrigens ein Zehn-Punkte-Programme erarbeitet, wie schon jetzt die Nachfrage nach Öl und Gas kurzfristig substanziell reduziert werden könnte. Dazu gehört unter anderem, die Tempolimits um 10 km/h zu senken. Ein Rückgang der Nachfrage nach Öl und Gas wirkt sich nicht nur auf die Importe und die Preise aus, sondern trägt auch zum Klimaschutz bei.