Zum Hauptinhalt springen

Europas Trump-Trauma

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Warum die nächste Präsidentschaftswahl in den USA für die EU existenzielle Folgen haben könnte.


Die Frage, wer in zwei Jahren Präsidentschaftskandidat oder -kandidatin der Demokraten für das Weiße Haus sein wird, interessiert die meisten Europäer, die gerade unter dem Schock des russischen Blutbades in der Ukraine stehen, nur in sehr überschaubarem Ausmaß. Wir haben gerade andere Sorgen. Das ist verständlich, aber leider sehr unpolitisch gedacht. Denn welche Folgen der Ukraine-Krieg gerade für das demokratische Europa langfristig haben wird, hängt sehr stark davon ab, wer nach 2024 im Weißen Haus residiert - und das wiederum hängt stark davon ab, wer für die Demokraten ins Rennen gehen wird.

Denn grundsätzlich hat der republikanische Ex-Präsident Donald Trump gute, wenn nicht gar sehr gute Chancen auf eine zweite Amtszeit. Für die Europäer hieße das, jedenfalls solange das System Wladimir Putins stabil ist, Alarmstufe Rot. Denn dass ein wiedergewählter Trump weiter glaubwürdig die Russen militärisch und gegebenenfalls auch nuklear vor einem Angriff auf EU-Territorium abschrecken würde, ist mehr als unsicher. Er war immerhin schon einmal als US-Präsident drauf und dran, spontan den Austritt seines Landes aus der Nato zu verkünden.

Sobald Trump seinen Amtseid abgelegt hätte, stünde Europa den Russen alleine gegenüber, die US-Garantien könnten wir dann vergessen. Was extrem weitreichende Konsequenzen hätte - von einer starken Erpressbarkeit dem Kreml gegenüber bis hin zur Notwendigkeit, sehr schnell sehr viel Geld in die Hand zu nehmen, um auch nur halbwegs verteidigungsbereit zu sein. Auch die Frage nach einer allfälligen europäischen - oder deutschen - Nuklearbewaffnung würde sich dann unangenehm schnell stellen. Und vor allem auch beantwortet werden müssen.

Deshalb ist es relevant, wer gegen Trump antritt. Wäre es, was eher unwahrscheinlich ist, Amtsinhaber Joe Biden, hätte Trump schon gewonnen. Biden steht in den USA für die massive Geldentwertung (derzeit 8 Prozent), die "Middle America" das Leben schwer macht, für den schmählichen, dilettantischen Abzug aus Afghanistan, für die Hilflosigkeit der USA gegenüber Putins aggressiver Militärmacht, der Biden offen als lahmen Typen bloßstellt, für unleistbare Spritpreise und zunehmend für Auftritte, die etwas wirr wirken. Undenkbar also, dass so einer 2024 gegen Trump gewinnen kann. Das gilt auch für seine Stellvertreterin Kamala Harris, deren wesentliches Asset ist, weder weiß noch ein Mann zu sein; davon abgesehen ist sie bisher wenig aufgefallen und gilt in Washington mittlerweile eher als B-Besetzung.

Wer sonst gegen "The Donald" antreten könnte, ist völlig offen. Aber gute Chancen hat in der notorisch nach links abdriftenden Partei nur jemand, der eine pragmatische Mitte vertritt und Wirtschaftskompetenz, aber auch Charisma ausstrahlt. Eine Art junger John F. Kennedy, das ist vermutlich das, was die Demokraten brauchen. Und mit ihnen - mehr als ihnen bewusst ist - auch die Europäer, die nur dann zumindest hoffen können, auch weiterhin unter dem Schutz der Atomstreitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika mit ihrem entmenschten Nachbarn im Osten zusammenleben zu können.