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Grenzenlos lernen

Von Mariya Gabriel

Gastkommentare

Der Europäische Studierendenausweis - viel mehr als nur eine Karte.


Wir haben große Pläne für das Hochschulwesen in der EU. Diese können aber nur dann Wirklichkeit werden, wenn Studierende und Lehrkräfte im Sinne bestmöglicher Lern- und Lehrerfahrungen mühelos von einer Universität zur anderen - auch grenzüberschreitend - wechseln können. Nichts ist bereichernder, als neue Ideen, ein neues akademisches Umfeld und neue Ansätze kennenzulernen. Die entsprechenden Mobilitätsangebote werden schon jetzt rege genutzt. Allerdings braucht es dafür auch Formulare zur Zulassung zu Seminaren und zur Anrechnung von Leistungspunkten. Das kann nach sehr viel Aufwand aussehen und Interessierte abschrecken.

Deshalb wollten wir die Verfahren modernisieren und vereinfachen. Zum 35-jährigen Jubiläum von Erasmus+ haben wir uns also gefragt: Was, wenn wir die Identität und den Status von Studierenden ganz einfach nachweisen und ihnen damit EU-weiten Zugang zu Dienstleistungen geben könnten? Und wie kann das mit dem sicheren digitalen Austausch von Studierendeninformationen zwischen Hochschulen, die an Erasmus+ teilnehmen, verknüpft werden? Wie können wir Erasmus+ angenehmer gestalten für all jene, die zum Studieren, für ein Praktikum, eine Lehre oder einen Personalaustausch in allen Bereichen der allgemeinen und beruflichen Bildung, der Jugend und des Sports ins Ausland gehen möchten?

So ist die Idee des Europäischen Studierendenausweises entstanden. Mit ihm digitalisieren wir alle Aspekte eines Erasmus+-Studienaufenthalts - von Informationsangeboten und Antragsverfahren über die Anrechnung von Leistungspunkten bis hin zum Austausch von Daten und der digitalen Signatur von Dokumenten. Was nach einer großen Veränderung klingt, ist es auch tatsächlich. Wir haben vier miteinander verbundene Maßnahmen gesetzt, die jeweils eine konkrete Anforderung erfüllen.

Eine davon ist der Europäische Studierendenausweis selbst, dem die Initiative ihren Namen verdankt. Wir haben ein Tool entwickelt, das den sicheren Austausch von Informationen über Studierende gewährleistet und es ihnen ermöglicht, nahtlos zwischen Hochschulen zu wechseln. Die Karte kann jedoch viel mehr - beispielsweise gibt sie Studierenden Zugang zu Online-Kursen und -Dienstleistungen, die an anderen Hochschulen angeboten werden. Diese Erweiterung hat einen vielversprechenden Start hingelegt: Bisher haben 2,6 Millionen Studierende ihre bisherige Karte in einen europäischen Studierendenausweis umgewandelt. Bis 2025 sollen möglichst alle in den Genuss seiner Vorteile kommen. Hierzu zählen der EU-weite Zugang zu Bibliotheken, Verkehrsmitteln und Wohnheimen sowie Ermäßigungen für kulturelle Angebote.

Elektronische ID und App

Damit Studierende ihren Status länder- und behördenübergreifend nachweisen können, war eine sichere und zuverlässige digitale Kennung erforderlich: Die EU-Kommission hat dazu eine elektronische Identifikation für europäische Studierende - die European Student eID - geschaffen, die eine örtliche Authentifizierung und einen weltweiten Zugang zu Dienstleistungen ermöglicht. Ergänzend zu Ausweiskarte und eID gibt es auch noch die Erasmus+-App, die vor, während und nach dem Auslandsaufenthalt gute Dienste leistet. Sie ist außerdem ein Online-Treffpunkt, an dem Studierende zusammenkommen und Erfahrungen austauschen können. Die überarbeitete Version von 2021 wurde bisher mehr als 160.000 Mal heruntergeladen.

In Gesprächen mit Studierenden aus der gesamten EU konnte ich erfahren, wie positiv sich diese Neuerungen ausgewirkt haben. So hat mir Marie-Theres Gamauf von der Universität Wien Folgendes berichtet: "Als mein Auslandsaufenthalt vor der Tür stand, fragte ich mich oft, wie es wohl laufen würde, wie es dort sein würde, und wie ich mich zurechtfinde. Die Erasmus+-App mit ihren Tipps macht es einem leichter, sein Gastland kennenzulernen, und man kann sich schon im Vorfeld informieren. Außerdem sieht man im Veranstaltungskalender schon früh, worauf man sich freuen kann, wenn es dann losgeht."

Wir haben auch für weniger Bürokratie gesorgt. So haben wir das Netzwerk "papierloses Erasmus" in die Initiative eingebunden. Derzeit tauschen EU-weit über 3.000 Hochschuleinrichtungen Daten über dieses Netzwerk aus; sie unterzeichnen Kooperationsvereinbarungen und schließen Lernvereinbarungen mit Studierenden ab, die einen Auslandsaufenthalt absolvieren. Bis 2023 sollen alle Universitäten in der EU daran angebunden werden.

Ein modernes und effizientes Mobilitätsmanagement ist zum Greifen nahe. Es wird nicht nur das Leben aller Beteiligten spürbar vereinfachen. Es wird auch der Bildung EU-weit eine neue Qualität verleihen und die Voraussetzungen für deutlich mehr Mobilität von Studierenden schaffen - ganz im Sinne des europäischen Bildungsraums.