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Opazität

Von Harald Oberhofer

Gastkommentare
Harald Oberhofer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und forscht am Wifo.
© Roman Reiter / WU

Fehlende Transparenz verursacht auch ökonomische Kosten


"Und i siech durch an Schleier von Tränen wo i amoi woa" sang der ehemalige österreichische Profiboxer und Ex-Gastronom Hans Orsolics rückblickend über sein "potschertes Leb’n". Österreich potschert in den letzten Jahren auch hinter einem Nebelschleier vor sich hin.

Am Sonntag versicherte Carola Millgramm, Leiterin der Abteilung Gas der E-Control Austria im Rahmen der Diskussionssendung "im Zentrum" der Öffentlichkeit, dass Österreich auf einen möglichen Gaslieferstopp vorbereit wäre. Es gebe einen Plan, man könne ihn jedoch mangels einer Pressestelle bei der E-Control nicht wie die deutsche Bundesnetzagentur kommunizieren.

Im Übrigen sei das auch nicht schlimm, die Menschen bräuchten sich keine Sorgen machen und müssten nicht verunsichert sein, weil einen Plan gebe es eben. Das für den Energielenkungsfall zuständige Klimaministerium war in der Diskussion gar nicht erst vertreten.

Dieses Beispiel ist symptomatisch für die Kommunikation der österreichischen Politik und oftmals auch der Verwaltung in Krisensituationen. Wie erinnern uns mit Schaudern an das Kommunikationschaos während jeder neuen Covid-19-Infektionswelle. Stufenpläne wurden präsentiert, nur um sie bereits Tage danach für null und nichtig zu erklären. Eine Impfpflicht wurde von den Landeshauptleuten zur Bedingung für die Einwilligung zu einem weiteren Lockdown im Herbst 2021 gemacht, nur um diese bei der ersten Gelegenheit wie eine heiße Kartoffel fallen zu lassen.

Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Der gemeinsame Nenner ist fast immer mangelnde inhaltliche und nachvollziehbare Kommunikation und damit fehlende Transparenz, oder, wie es in der Optik benannt wird: Opazität. Fehlende Transparenz ist nicht nur ein politisches Übel und für eine Demokratie problematisch, sondern verursacht darüber hinaus auch ökonomische Kosten. In unsicheren Zeiten wird der private Konsum eingeschränkt und Investitionen zurückgefahren. Neben den sofort wirksamen negativen Folgen für das Bruttoinlandsprodukt und dessen Wachstum, ist ein Rückgang der Investitionen auch langfristig schädlich für die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkwirtschaft.

Eine wesentliche Aufgabe von Politik ist es, das Ausmaß an Unsicherheit so weit wie möglich zu reduzieren und so für Haushalte und Unternehmen Planungssicherheit zu schaffen. Unsicherheit zu reduzieren bedeutet jedoch nicht, das Risiko für die privaten Wirtschaftsakteure zu übernehmen. Das ökonomische Risiko, welches mit einem möglichen Gaslieferstopp verbunden ist, tragen zunächst einmal direkt die Haushalte und Unternehmen. Allerdings könnten diese auf Basis einer transparenten Kommunikation des geplanten Zuteilungsmechanismus für das in so einem Fall noch verfügbare Erdgas Maßnahmen treffen, um das Risiko zu reduzieren und für den Bedarfsfall alternative Energie- und Rohstoffquellen zu erschließen.

Fehlen wie in Österreich diese notwendigen Informationen weitestgehend, kann eine seriöse Risikoeinschätzung nicht vorgenommen und konkrete Risikoreduktionsmaßnahmen von den Haushalten und den Unternehmen dementsprechend nicht getroffen werden.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.