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Die Inflation und die Kalte Progression

Von Oliver Ginthör und Richard Elhenický

Gastkommentare

Versuche, die Teuerung durch einzelne Maßnahmen abzufedern, sind problematisch.


Die derzeit in die Höhe gehende Inflation ist nichts Hausgemachtes, sie erfasst die Wirtschaft weltweit und kann daher auch von einzelnen Ländern nur beschränkt bekämpft werden. Sie ist auch nicht alleine durch den Krieg in der Ukraine ausgelöst worden, auch wenn dieser Krieg und die damit verbundenen Folgen wie Lieferengpässe vor allem bei Getreide, aber auch für die Industrie wichtige Komponenten (Stichwort Kabelbäume) sie weiter anheizen. Viel wesentlichere Einflüsse sind das längst überfällige Nachziehen der Energiepreise und die durch die Corona-Pandemie entstandenen Einschränkungen für die globalisierte Wirtschaft, die zu teilweise dramatischen Produktions- und Lieferengpässen geführt haben und weiterhin führen.

Versuche, die Folgen der Inflation für die Bevölkerung durch einzelne Maßnahmen abzufedern, sind problematisch: Zeitlich beschränkte Senkungen bestimmter Steuern sind nicht treffsicher, was einer der Gründe dafür ist, dass sich das Steuerrecht kaum dazu eignet, soziale Maßnahmen zu treffen. Andererseits können sie später nur sehr schwer wieder rückgängig gemacht werden, weil sie dann einfach als Steuererhöhungen wahrgenommen würden. Und schließlich fehlt dieses Geld dann im Budget, um im Sozialrecht gezielt den wirklich Bedürftigen entsprechend zu helfen.

Eine Maßnahme, die tatsächlich rasch wirken würde, wäre die längst überfällige und vom Bund der Steuerzahler seit langem geforderte Abschaffung der Kalten Progression. Diese bewirkt einfach gesagt durch die Inflation, dass Löhne und Gehälter in höhere Steuerstufen rutschen und dem Staat so Mehreinnahmen verschaffen, ohne dass dieser dafür etwas tun oder Rechenschaft darüber ablegen müsste. Mit steigender Inflation erhöht sich dieser Effekt natürlich, so wie auch steigende Spritpreise, die zu mehr als der Hälfte aus Steuern bestehen, die Staatseinnahmen erhöhen. Der Druck, die Kalte Progression abzuschaffen, wächst derzeit, auch Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hat sich schon dafür ausgesprochen. Das Argument, dass dann dieses Geld zukünftig im Budget fehlen würde, sticht nach unserer Meinung nicht, weil der Staat es ja in der Hand hat, durch Steuererhöhungen und das Steuererfindungsrecht benötigte Mehreinnahmen zu erzielen - er muss es aber begründen und für die zweckgewidmete Verwendung Rechenschaft ablegen.

Entscheidend ist freilich, wie die Kalte Progression abgeschafft würde: Eine Abschaffung nur für bestimmte - niedrige - Steuerstufen ist abzulehnen, weil dies die Sprünge zwischen diesen noch vergrößern würde, was zu einer noch stärkeren Besteuerung bei Lohnerhöhungen führen würde. Eine jeweils zeitlich befristete Abschaffung durch das Parlament wäre für jede Regierung eine große Versuchung, solche Gesetze auszusetzen und damit wieder ins alte Fahrwasser zu kommen. Am sichersten und auch am einfachsten zu administrieren wäre ein Automatismus, der - ähnlich wie in der Sozialversicherung, aber sinnvollerweise erst bei Erreichen einer bestimmten Grenze - die Steuerstufen schon 2022 an die Inflation anpassen würde.