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Eine Gießkanne für die Mittelschicht

Von Gottfried Schweiger

Gastkommentare
Gottfried Schweiger arbeitet am Zentrum für Ethik und Armutsforschung der Universität Salzburg.
© Michael Brauer

Das Geld-zurück-Paket der Bundesregierung wird die Sorgen vieler Menschen etwas lindern, der wachsenden Ungleichheit und den strukturellen Problemen setzt es allerdings nichts entgegen.


Die hohe Inflation hat die Regierung zum Handeln gezwungen, nachdem sie zunächst nur Gutscheine verschickt hatte. Jetzt also wird die Gießkanne über das Volk ergossen. Die großen Brocken des Pakets nutzen der Mittelschicht, allen voran die Abschaffung der kalten Progression, auf deren Wirkung man aber noch einige Monate warten muss. Menschen, die arbeitslos oder prekär beschäftigt sind, profitieren davon wenig bis gar nicht, da ihre Einkommen zu gering sind.

Das Helikoptergeld, das als Klimabonus verteilt wird - zum Glück nicht als Gutschein, sondern direkt aufs Konto überwiesen -, werden Menschen in Armut direkt für ihre stark verteuerten Grundbedürfnisse verwenden. Was dieser Bonus allerdings mit dem Klima oder dem Schutz desselben zu tun haben soll, bleibt weiterhin ein Geheimnis der Regierung. Der Familienbonus Plus ist von vorneherein nur für Menschen mit besserem Einkommen reserviert, daher bringt auch dessen Erhöhung Kindern in sozial benachteiligten Familien nichts.

Etwas für die mittleren und höheren Einkommen zu tun, ist nicht verwerflich sowie parteipolitisch und wahltaktisch durchaus verständlich. Soziale Treffsicherheit sieht aber anders aus. Einmalzahlungen lösen, wie viele NGOs, darunter die Armutskonferenz, richtig kritisieren, keine strukturellen Probleme. Dass die Sozialhilfe bereits jetzt viel zu niedrig ist, weil sie deutlich unter der Armutsgrenze liegt, ändert sich nicht. Statt 180 Euro Familienbeihilfe extra zum Schulstart auszubezahlen, sollte besser darüber nachgedacht werden, wieso Schule und Bildung noch immer keineswegs kostenlos für alle Kinder sind, sondern stetig teurer werden.

Gerade beim viel beschworenen Ziel, die Lage von Kindern in Armut nachhaltig zu verbessern, wurde ein großer Wurf erst gar nicht versucht. Man hätte den Anlass nehmen können, um durch eine Zusammenführung der Familienleistungen endlich eine Kindergrundsicherung einzuführen, also eine Grundsicherung, die allen Kindern in Österreich unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern ein ausreichend gutes Leben sichert und mit der Höhe des Familieneinkommens auf einen Sockelbetrag zusammenschrumpft.

Kinderbetreuungsgeld unter der Armutsgrenze

Apropos Kinder: Angekündigt ist auch die Valorisierung des Kinderbetreuungsgeldes. Das ist mehr als überfällig, ist es doch seit seiner Einführung im Jahr 2002 zwar reformiert, aber nicht erhöht worden und liegt mittlerweile deutlich unter der Armutsgrenze. Auch diese Unterbezahlung einer zentralen Fürsorgeleistung wird also bestehen bleiben, wenn zusätzlich zur nächstjährigen Anpassung an die Inflation nicht eine ordentliche Erhöhung erfolgt. Dass Arbeitslosengeld und Notstandshilfe nicht an die Inflation angepasst werden, sondern hier nur Einmalzahlungen erfolgen, verkennt, dass viele Langzeitarbeitslose auch in Zeiten hoher Nachfrage am Arbeitsmarkt sehr schwer einen Job finden.

Das Fazit des Geld-zurück-Pakets fällt somit gemischt aus. Die Gefahr ist durchaus gegeben, dass die Politik mit diesem "großen Wurf" künftige Reformen und Erhöhungen von Sozialleistungen als nicht mehr nötig abwehrt. Bemerkenswert ist zudem, dass die Regierung offensichtlich nur die Geldverteilung als Maßnahme gegen die steigenden Preise kennt und alle Eingriffe in die Preisgestaltung ablehnt. Das kann man auch als eine Kapitulation vor dem Marktgeschehen verstehen. Ebenso wurden wirklich visionäre Ideen wie ein Grundeinkommen oder eine staatliche Garantie der (kostenlosen oder zumindest günstigen) Versorgung mit Energie, Wohnraum oder Mobilität nicht angedacht. Man bleibt im Rahmen bekannter Maßnahmen.

In den Tagen, als die Bundesregierung ihr großes Geld-zurück-Paket verhandelt und vorgestellt hat, wurden auch neue Zahlen zum Anstieg der Privatvermögen weltweit und in Österreich veröffentlicht. Diese sind in den vergangenen Jahren trotz Pandemie beträchtlich angewachsen, jedoch stark auf die reichsten Bevölkerungsanteile konzentriert. Von der SPÖ wurde recht rasch eingefordert, dass die Finanzierung von Entlastungen vor allem durch Beiträge der Vermögenden erfolgen sollte. Schließlich wird die Gießkanne, mit der nun gegossen wird, durch Steuergelder gefüllt, da das Geld des Staates anders als der Regen nicht einfach so vom Himmel fällt. Die Einführung von Vermögenssteuern scheint aber auch weiterhin ein Tabu für die ÖVP zu sein.

Wohnraum ist für viele immer schwerer leistbar

Der steigenden Ungleichheit der Vermögen und der Konzentration des Reichtums in den Händen weniger Menschen wird das vorgestellte Paket also nicht entgegenwirken. Das wäre jedoch dringend geboten, wenn man nachhaltig etwas für soziale Gerechtigkeit und auch für die viel beschworene Mittelschicht tun will. Als Beispiel sei nur das akute Problem der Teuerung von Wohnraum genannt. Wenn die Immobilienpreise - sowohl Kauf als auch Miete - weiterhin überdurchschnittlich steigen, weil Wohnraum als reine Vermögensanlage gekauft und verwertet wird, ist dieser trotz der Abschaffung der kalten Progression und der Erhöhung einiger Transferleistungen für viele immer schwerer leistbar.

Vermögen und Reichtum sollten nicht einseitig als potenzielle Steuerquelle für die Finanzierung staatlicher Maßnahmen gesehen werden, sondern vielmehr braucht es endlich eine gesellschaftliche und politische Diskussion, wie diese zustande kommen und welche positiven und negativen Wirkungen sie entfalten. Das vorgestellte Geld-zurück-Paket suggeriert, dass staatliches Handeln für die breite Bevölkerung auf der einen Seite und die wachsende Ungleichheit von Vermögen und Einkommen auf der anderen Seite nicht viel miteinander zu tun hätten. Auf lange Sicht ist das jedoch nicht richtig.