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Die fossilen Krisengewinner

Von Irene Giner-Reichl

Gastkommentare
Irene Giner-Reichl war Botschafterin in China und Brasilien. Sie ist Mitglied des Steering Committees von REN21 (www.ren21.net) sowie Präsidentin des Global Forum on Sustainable Energy (www.gfse.at).
© privat

In wichtigen Bereichen steigt der Anteil der Erneuerbaren im Schneckentempo.


Seit 24. Februar ist es unmöglich, sich der Einsicht zu verschließen, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien und Energiesicherheit Hand in Hand gehen; mehr noch, dass wir Energiesicherheit - unabdingbar für die Sicherheit unseres Landes - wohl nur durch einen radikalen Umbau unseres Energiesystems hin zu klimaneutralen Lösungen erzielen können.

In den Jahren der Corona-Pandemie sprachen Experten und Politiker von den Chancen, die in den umfangreichen und teuren "Recovery"-Paketen stecken würden, die allerorts beschlossen wurden; Chancen, den wirtschaftlichen Wiederaufbau auch gleich in Richtung Umsetzung der Pariser Klimaziele und mehr sozialer Gerechtigkeit zu lenken.

Der am 15. Juni veröffentlichte Bericht zum globalen Status der erneuerbaren Energien des internationalen Politik-Netzwerkes REN21 zeigt auf, wie wenig die obigen Einsichten in unser kollektives, energiepolitisches Handeln einfließen, unserem offensichtlichen Eigeninteresse zum Hohn.

Wohl wachsen die erneuerbaren Energien weltweit - vor allem im Stromsektor - weiter an, der Anstieg des Stromverbrauchs um 5 Prozent konnte jedoch nicht durch erneuerbare Energien aufgefangen werden. Beim Heizen und Kühlen sowie beim Verkehr (der 32 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs ausmacht) steigt der Anteil der Erneuerbaren im Schneckentempo.

Den Zusagen von 135 Ländern im Vorfeld des UN-Klimagipfels "COP26" in Glasgow im November 2021, bis 2050 Netto-Null-Treibhausgasemissionen zu erreichen, sind wirtschaftsweite Zielsetzungen für erneuerbare Energien von nur 84 Ländern gefolgt, und nur 36 Länder haben Ziele für 100 Prozent erneuerbare Energien festgelegt.

Die wirtschaftliche Erholung der Welt nach Corona - mit einem weltweiten realen Wachstum von 5,9 Prozent - schlug mit einem Anstieg des Weltendenergieverbrauchs um 4 Prozent zu Buche. Im Jahr 2021 fand der größte Energiepreissprung seit der Ölkrise von 1973 statt; die Gaspreise in Europa und Asien verzehnfachten sich, in den USA stiegen sie auf das Dreifache. Durch die russische Invasion in der Ukraine verschärft sich die Energiekrise nun, mit Dominoeffekten auf Rohstoff- und Nahrungsmittelmärkten. Zur sozialen Bewältigung der Energiepreissteigerung greifen Regierungen immer noch zu Maßnahmen der Förderung fossiler Energien, im Ausmaß von 18 Billionen US-Dollar zwischen 2018 und 2020 (7 Prozent des globalen BIP). So erscheinen die großen Erdöl-, Erdgas und Kohle-Industrien als die Gewinner der Krise. 136 Länder der Welt - auch Österreich - sind auf Importe von fossilen Brennstoffen angewiesen.