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Und nun, was tun?

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Die Fähigkeit der EZB, die Inflation nachhaltig zu bekämpfen, ist kaum noch existent.


Der deutsche Top-Ökonom Hans-Werner Sinn, der als einer der wenigen Vertreter seiner Zunft seit langem präzise vorhergesagt hat, dass die immense Aufblähung der Geldmenge durch die Europäische Zentralbank früher oder später zu entsprechend hohen Inflationsraten - derzeit rund 8 Prozent - führen werde, hat für die Insassen der Eurozone auch für die nähere Zukunft keine guten Nachrichten, ganz im Gegenteil. Weil die Großhandelspreise derzeit in Deutschland und Österreich um albtraumhafte 30 Prozent höher als im Vorjahr sind, rechnet er für den Frühherbst mit Inflationsraten zwischen 12 und 15 Prozent.

Und als wäre das nicht schon Horror genug, attestierte der Ökonom der EZB in diesem Zusammenhang auch noch einen völligen "Kontrollverlust", also die Unfähigkeit, dieser staatlichen Ausplünderung und Verarmung des Mittelstandes entsprechend entgegenzutreten und sie damit zu beenden, bevor die Inflation zu schweren sozialen Verwerfungen, Unruhen und letztlich einer Destabilisierung des demokratischen Betriebssystems führt, wie das in der Vergangenheit immer wieder der Fall war.

Das Problem ist: Sinn wird, wieder einmal, recht behalten mit seinem mehr als düsteren Blick in die Zukunft.

Denn um Inflationsfeuer zu löschen, haben Zentralbanken zwei Instrumente zur Verfügung: die Zinsen so lange zu erhöhen, bis die Nachfrage und damit die Preise sinken; oder, besonders im Falle der EZB, die umlaufende Geldmenge zu verringern, indem sie jene Anleihen vor allem der Schuldenstaaten des europäischen Südens verkauft, mit denen sie in den vergangenen Jahren großzügig Staatsfinanzierung betrieben hat - was ihr zwar verboten ist, worum sie sich aber schlicht nicht kümmerte und halbseidene Umgehungskonstruktionen erfand.

Doch beides, Zinsanhebungen wie Verkäufe von Staatsanleihen Italiens, Spaniens oder Frankreichs, würden für diese Staaten Mehrkosten für die Finanzierung ihrer Schuldengebirge bedeuten, die sie nicht stemmen könnten. Mit der Folge, dass ihnen akut der Staatsbankrott drohte und sich die Euro-Krise der Jahre ab 2010 wiederholen könnte, als die ganze Eurozone auseinanderzubrechen drohte und als Folge einer davon ausgelösten Kettenreaktion auch das europäische Bankensystem vom Kollaps bedroht war.

Das zu riskieren, ist für die EZB definitiv keine Option; oder jedenfalls keine gangbare.

Wenn sie sich aber letztlich selbst allen erprobten und funktionierenden Möglichkeiten beraubt hat, zweistellige Inflationsraten zeitnah und wirksam zu bekämpfen, dann liegt tatsächlich jener "Kontrollverlust" vor, von dem Sinn spricht.

Die EZB und ihre Chefin Christine Lagarde sind damit in der Lage eines Airline-Kapitäns, dessen Flieger in schwere Turbulenzen geraten ist, der aber feststellen muss, dass die wichtigsten Steuerungsfunktionen nicht mehr funktionieren. Für die Passagiere dieses Flugzeuges ist das eine missliche Lage, die sich nicht wesentlich von jener unterscheidet, in der sich alle Menschen befinden, die in Euro bezahlt werden und ihre Ersparnisse in dieser Währung halten - Kontrollverlust.