Was machen die Volksvertreter eigentlich mit ihrem langen Urlaub?
Nicht nur die Schüler starten in die Sommerferien, auch in den Parlamenten ist jetzt Kehraus, und die Politiker werden sich bald bis zum Herbst vertschüssen, zumindest was parlamentarische Termine angeht. Monatelang im Sommer einfach nicht am Arbeitsplatz zu sein, halten viele Wähler für ein Privileg. In dieses Bild passt, dass laut einer neuen Studie Eliten wie Politiker eine höhere Lebenserwartung haben als das jeweilige gemeine Durchschnittsvolk. Das Image der Politik verbessert dies jedenfalls kaum.
Lange Sommerferien für Abgeordnete sind durchaus international üblich. Der Bundestag hat frei bis Ende August, und das dänische Parlament hat sogar schon in Juni Schluss gemacht und tritt erst wieder im Oktober zusammen. In Irland hatten die Parlamentarier einst zwölf Wochen Urlaub, aber das wurde nach Kritik nun auf "nur" acht Wochen verkürzt. Die britischen Abgeordneten müssen noch zwei Wochen ausharren, ehe sie bis Ende August auf Urlaub gehen können - danach starten dann die jährlichen Parteitage. In einer früheren Studie des Unterhauses wurden im Prinzip lange Sommerferien als familienfreundlich begrüßt. Auch, weil es fraglich ist, ob die Qualität der Gesetzgebung mit der Zahl der Parlamentssitzungen steigt.
Aber machen Politiker tatsächlich so lange Urlaub? Nun, vor allem in Krisenzeiten ist natürlich jederzeit eine Sondersitzung möglich. In Großbritannien passiert so etwas bei gravierenden Anlässen wie Kriegen, Unruhen oder dem Ableben des Premierministers beziehungsweise eines Mitglieds des Königshauses. Die Kosten der Rückreise nach London werden den Abgeordneten auch für Familienmitglieder zurückerstattet.
Britische Abgeordnete haben rund 22 Wochen im Jahr frei, zumindest auf dem Papier. Allerdings müssen sie in ihren Wahlkreisen bei Sommerfesten, bei Katastrophen wie Hochwasser oder auch einfach für Sprechstunden anwesend sein. Und Krisen ereignen sich erstaunlich oft im August. Zudem haben in London rund hundert Abgeordnete Regierungsposten - nicht nur die Minister im Kabinett. Auch sie können sich nicht einfach in die Ferien verabschieden - und wenn doch, dann kann ihnen das schaden. Als zum Beispiel voriges Jahr die Taliban Kabul eroberten, weilten sowohl Premier Boris Johnson als auch Außenminister Dominic Raab ebenso auf Urlaub wie viele hochrangige Beamte. Einzig Verteidigungsminister Ben Wallace hielt die Stellung. Er gilt seitdem als Favorit für die Nachfolge Johnsons als Premierminister. Und es war erneut Wallace, der im Februar, als Russland die Ukraine angriff, seinen Familienurlaub strich und rasch an seinen Schreibtisch zurückkehrte.
Politiker sind ständig unter genauer Beobachtung. Ein Heimaturlaub ist fast ein Muss in Österreich. Ab in die Berge und in einem See planschen, so kann man sich bürgernah zeigen. Die britischen Kollegen trauen sich da mehr. Winston Churchill etwa war in Monte Carlo ein willkommener Gast, Tony Blair flog oft mit der Familie nach Barbados, David Cameron nach Ibiza. Als Johnson einmal in Schottland zelten wollte, tauchten rasch Paparazzi auf. Sein Urlaub auf der exotischen Insel Mustique freilich wurde heftig kritisiert. Reif für die Insel wird er auch heuer sein.