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Den Klimarat als Chance begreifen

Von Walter Mahringer, Sebastian Nemeth und Lisa Vesely

Gastkommentare
Lisa Vesely ist im Kultur- und Projektmanagement tätig. Sie engagiert sich beim Klimavolksbegehren im Projekt Klimarat für die Demokratisierung der Klimapolitik.
© Martha Gattringer

Ein Instrument der Bürgerbeteiligung mit Lernpotenzial für Rückwärtsgewandte.


Um unsere Demokratie steht es nicht gut. Das V-Dem Institut in Göteborg stuft Österreich von einer liberalen Demokratie zu einer Wahldemokratie ab. Eine Umfrage von Ö3 und Sora zeigt, dass junge Menschen von Zukunftssorgen geplagt werden. Nur sechs Prozent der Befragten fühlen sich von der Politik vertreten. Mit den Stimmen von ÖVP, Neos und Grünen wurde im Jänner 2021 der erste nationale Klimarat der Bürgerinnen und Bürger einberufen. Am 4. Juli haben die ausgewählten Menschen ihre erarbeiteten Empfehlungen vorgestellt und der Politik übergeben.

Der Klimarat hat nicht nur das Potenzial, die Akzeptanz für Klimaschutz in der Bevölkerung zu erhöhen, sondern bietet auch die Chance auf Beteiligung der Betroffenen. Schon jetzt wird er von zahlreichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus allen Parteien unterstützt, die erkannt haben, dass die informierte Debatte ein Gewinn für Entscheidungsträger ist.

Johannes Schmuckenschlager, ÖVP-Umweltsprecher und Präsident der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer, bezeichnete den Klimarat als "absolut untauglich", seine Empfehlungen hätten für ihn "keine Relevanz", weil es am "Interessenausgleich verschiedener Gesellschaftsgruppen" fehle. Dieser Angriff zeigt, dass er sich nie mit dem Klimarat vertraut gemacht hat. Es ist ihm offenbar auch entfallen, dass er und seine Partei ihn beschlossen haben.

Dass Österreich seit mehr als 500 Tagen kein wirksames Klimaschutzgesetz hat, spricht ebenfalls nicht für die Regierungspartei. Es zeichnet das Bild einer Partei, die die Klimakrise verschärft und gleichzeitig die Demokratie aushöhlt. Bezüglich Klimarat ist die ÖVP gespalten. Salzburgs Verkehrslandesrat Stefan Schnöll oder die Vorarlberger ÖVP-Umweltsprecherin Christina Metzler machten deutlich, dass die Ablehnung nicht Parteilinie ist.

Politiker aller Couleurs können zeigen, dass sie nicht Lobbyisten vertreten, sondern die Bedürfnisse der Menschen zum Ausgangspunkt ihrer Entscheidungen machen. Indem sie Empfehlungen aus der Bevölkerung ernsthaft in den politischen Gremien diskutieren, können sie das Vertrauen in die Demokratie ein Stück weit zurückgewinnen. Dass aktive Bürgerbeteiligung wichtig ist, wurde bereits vielerorts erkannt. Vorarlberg und Salzburg haben eigene Bürgerräte einberufen. In Europa gab es nationale Klimaräte schon in Frankreich, Deutschland, Irland oder Spanien. Sie alle wurden wissenschaftlich begleitet. Inzwischen besteht umfangreiches Wissen darüber, was dabei zu beachten ist und wo die Chancen und Grenzen liegen.

Der österreichische Klimarat konnte auf internationalen Erfahrungen aufbauen. Durch die repräsentative Auswahl der Statistik Austria arbeiteten im Klimarat Bürgerinnen und Bürger mit unterschiedlichen Lebensrealitäten aus ganz Österreich mit. Ein Team aus Fachleuten für Beteiligungsprozesse, Moderatoren und unabhängigen Wissenschaftern unterstützte sie in ihrer Arbeit. Die Teilnehmenden selbst äußern sich sehr positiv über den wertschätzenden Umgang und die offene Diskussion.

Angesichts der Zukunftsprobleme werden wir Bürgerräte mehr denn je brauchen.