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Karge energiepolitische Häppchen-Kost

Von Stefan Schleicher

Gastkommentare
Stefan Schleicher ist Professor am Wegener Center für Klima und globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Österreich fehlt ein Arbeitsplan für einen produktiveren Umgang mit Energie.


Nicht jede mediale Wortspende von Regierungsmitgliedern passiert den Filter der von Spin- Doktoren sorgfältig abgewogenen Wortwahl. Einige jüngste und vermutlich ungefilterte Äußerungen lassen die Untiefen der österreichischen Energiepolitik ausloten: Der Sommer ist keine gute Zeit für das Energiesparen; im Winter werden wir nicht in Wolldecken dasitzen müssen; beim Kochen den Deckel auf den Topf.

Solche verbalen Häppchen des politischen Tagesgeschäfts sind eher ein Alarm für eine Kurskorrektur als eine Bestätigung von kompetenten Konzepten und koalitionärem Konsens in der österreichischen Energiepolitik. Wie eine Kurskorrektur in Sachen Energie von einem Kuschelkurs zu einem kollektiven Kraftakt aussehen könnte, zeigt uns derzeit in Deutschland der für Wirtschaft und Klima zuständige Bundesminister Robert Habeck. Seine politische Signatur sind Aussprüche wie: "Mehr Effizienz ist ein wesentlicher Hebel gegen Putin", und: "Weniger Verbrauch ist das A und O". Sein politischer Werkzeugkasten ist der von ihm vorgelegte "Arbeitsplan Energieeffizienz" mit einem umfassenden Maßnahmenkatalog samt Zeitplänen, finanziellen Anreizen, aber auch regulatorischen Anpassungen.

Österreich fehlt ein solcher Arbeitsplan für einen produktiveren Umgang mit Energie. Keineswegs soll mit Cut-and-Paste der Habeck-Plan übernommen werden, aber auf den vielen weißen Flecken der österreichischen Energiekarte wären damit zumindest erste Eintragungen möglich. Was Habeck als neues Narrativ in die Energiepolitik Deutschlands eingebracht hat, ist ein Gesamtkonzept für ein effizienteres Energiesystem im Kontrast zu den in Österreich vertrauteren Designs à la Fleckerlteppich. Ein Beispiel liefert das Ausbauziel für Elektrizität bis 2030: Dafür müssten in den verbleibenden acht Jahren sechs Wasserkraftwerke von der Dimension des Donaukraftwerks Freudenau in Betrieb gehen, jeden zweiten Tag eine Windturbine aufgestellt und alle fünf Minuten eine Photovoltaik-Anlage installiert werden. Auch bei Erreichung dieser derzeit nicht realistisch erscheinenden Ziele würde das den Anteil von erneuerbarer Energie beim gegenwärtigen Energieverbrauch um nicht mehr als 7 Prozentpunkte erhöhen, aber mehr als 60 Prozent blieben weiterhin fossil. Nur eine kräftige Verbrauchsreduktion kann diese fossile Last deutlich reduzieren. Vielleicht hilft ein dem französischen Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry zugeordnetes Zitat weiter. Demnach ist es für den Bau eines Schiffes nicht ausreichend, das dafür notwendige Material und die Arbeit zu organisieren. Vielmehr wäre vorher die Sehnsucht nach dem Meer zu wecken. Analog ist für die Neukonstruktion unseres Energiesystems der Blick über ungefüllte Gasspeicher und im Genehmigungsdschungel verschwindende Windturbinen hinaus zu öffnen. Minister Habeck scheint das zu gelingen mit Ansagen, dass ein effizienteres Energiesystem drei Krisen bewältigen hilft: die Bekämpfung der Inflation, die Befreiung der Abhängigkeit von Russland und das Bemühen um Eindämmung der Erderwärmung. Aber man stehe, fügt Habeck hinzu, vor einem sehr schwierigen Herbst und Winter.