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Ein Wettstreit progressiv-links vs. konservativ-rechts

Von Heidi Glück

Gastkommentare
Heidi Glück ist Strategie- und Kommunikationsexpertin (www.heidiglueck.at).
© Fotostudio Floyd

Die Wahl des Bundespräsidenten ist auch ein Testlauf fürs freiheitliche Lager.


Die Eckdaten für die Bundespräsidentenwahl stehen: Am 6. Oktober tritt der amtierende (grüne) Präsident als haushoher Favorit gegen einen Langzeitpolitiker aus dem freiheitlichen Oppositionslager an. Daneben gibt es Zählkandidaten, die zuerst einmal 6.000 Unterstützungserklärungen für ihr Antreten sammeln müssen. Volkspartei und Sozialdemokraten verzichten - trotz des Selbstanspruchs, staatstragende Parteien zu sein - kostensparend (für die Bundespräsidentenwahl gibt es ja keine Finanzierungsrückerstattung) und wegen Aussichtslosigkeit auf Platz eins auf eigene Kandidaten. Für die in der Krise befindliche ÖVP ist es plausibel, eine drohende Schlappe zu vermeiden - vor allem auch im Vorfeld der Landtagswahlen. Und überhaupt: Wer würde sich zur Verfügung stellen?

Demokratiepolitisch könnte man den Verzicht auf eine Kandidatur für das höchste Amt im Staat für diskussionswürdig halten. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Bundespräsidentschaft in Zeiten von innenpolitischen Krisen mehr ist als nur ein repräsentativer Hofburg-Job. Für die FPÖ ist es die Chance, mit einem erfahrenen, wenig polarisierenden Politikprofi auch auf aktuelle politische Themen öffentlichkeitswirksam reagieren zu können: Migration, Teuerung, Energieversorgung, Corona-Leugner, etc.

Ideologisch wird es ein Wettstreit progressiv-links gegen konservativ-rechts. Alexander Van der Bellen deckt die eine Hälfte des Wählerspektrums ab, Walter Rosenkranz die andere. Die Wählerschaft von ÖVP und SPÖ teilt sich bequem auf, Van der Bellen kann sich diesmal auf Neos, Grüne, Linke und Sympathisanten aus der ÖVP stützen, das sichert ihm eine breite Mehrheit. Mit Rosenkranz hat die FPÖ den aussichtsreichsten aller bisher genannten Kandidaten ausgesucht, der nicht nur die eigenen Wähler, sondern auch die Protestwähler aus dem rechten Eck mobilisieren kann. Es wird wohl kein Wahlkampf der aggressiven Auseinandersetzung, dafür eignet sich die angestrebte Funktion nicht, aber an der Begleitkommunikation wird man erkennen, dass die FPÖ vieles aus der Zeit nach dem Ibiza-Skandal auch Van der Bellen noch nicht verziehen hat. Es war der Bundespräsident, der Herbert Kickl in einem weiteren Regierungsamt verhindert hat.

Trotzdem ist es für beide Kandidaten stellende Parteien eine Chance zur Profilierung: Van der Bellen ist mit Abstand der attraktivste Grüne mit hohem Sympathiefaktor auch für nicht-grüne Wähler, und Rosenkranz ist als Mann eindeutig besser aufgestellt für eine Macho-Partei, in der einem Mann immer noch die Dominanzstellung in der Gesellschaft zugeordnet wird. Gleichzeitig ist es auch eine Testwahl für das freiheitliche Lager. Damit schmälern sich die Chancen eines ehemaligen Kurzzeit-BZÖ-Chefs auf ein respektables Ergebnis.

Angesichts der allgemeinen Krisensituation, die sich wohl im Herbst noch verschärft, wird der Wahlkampf aber für die meisten Menschen eine Nebensache bleiben, da die Kritik ihren Fokus auf das unbefriedigende Krisenmanagement der Regierung setzen wird. Die Hoffnung auf Besserung dort sollte man nicht aufgeben, auch wenn die Erwartungen nicht allzu üppig sind.