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Wie Greenwashing in der EU verhindert werden soll

Von Robert Wippel

Recht
Durch "Greenwashing" täuschen einzelne Unternehmen ihr nachhaltiges Verhalten nur vor und manipulieren die öffentliche Meinung.
© adobe.stock / tanaonte

Eine neue delegierte Verordnung der Europäischen Kommission setzt nachhaltiges Investieren für zukünftige Generationen in den Fokus.


Viele der aktuellen globalen Krisen wie der Klimawandel und soziale Probleme in unserer Gesellschaft können durch ein nachhaltiges Wirtschaftssystem verhindert oder zumindest verbessert werden. Mittlerweile setzen die meisten österreichischen Unternehmer Initiativen, um ihre wirtschaftliche Tätigkeit nachhaltiger auszuüben. Der Trend zu Nachhaltigkeit ist ungebrochen und hat das Potenzial, eine soziale, gerechte und saubere Welt zu schaffen.

Die Finanzbranche trifft hier eine besondere Verantwortung, da ihre Aufgabe - das Bereitstellen von Kapital - den zentralen Ausgangspunkt bildet. Der EU-Gesetzgeber hat diesen Aspekt erkannt und in den vergangenen Jahren zahlreiche gesetzliche Regelungen erlassen. Mithilfe unterschiedlicher Instrumente soll die europäische Wirtschaft nachhaltig werden. Dabei ist nicht immer klar, was man unter Nachhaltigkeit versteht - wie unlängst die Diskussion zur EU-Taxonomie-Verordnung gezeigt hat.

Vor allem die Anlageberatung wird verändert

Die Abkürzung "ESG" wird in dem Kontext häufig genannt und steht für Environmental, Social and Corporate Governance. Der Unternehmer muss - etwas salopp formuliert - nicht nur wirtschaftliche Ziele verfolgen. Er soll vielmehr ökologisch und sozial agieren und einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Die Nichtbeachtung der genannten Kriterien kann durchwegs zu einem Imageschaden für das betroffene Unternehmen führen. Durch "Greenwashing" täuschen einzelne Unternehmen ihr nachhaltiges Verhalten nur vor und manipulieren die öffentliche Meinung. Die EU erachtet solche Methoden verständlicherweise als unerwünscht und versucht, sie möglichst zu unterbinden.

Die Verhinderung von Greenwashing ist nur eines von vielen Anliegen der delegierten VO 2021/1253, die von der Europäischen Kommission am 21. April 2021 erlassen wurde. Mit 2. August 2022 tritt die Verordnung in Kraft und verändert vor allem die Anlageberatung. Die Kommission will die europäische Wirtschaft CO2-arm, nachhaltig und ressourcenschonend machen, um das Klimaschutz-Abkommen von Paris sowie den europäische Green Deal umzusetzen. Der Green Deal ist ein Konzept der Kommission mit zahlreichen einzelnen Maßnahmen und soll Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Konkret sollen ab 2050 netto keine Treibhausgase mehr freigesetzt werden, ohne dass die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft darunter leidet.

Mehr privates Kapital in nachhaltige Anlageformen

Damit beide Ziele erreicht werden können, soll mehr privates Kapital in nachhaltige Anlageformen gelenkt werden. Der Anleger soll ausreichend informiert werden und sein Vermögen nachhaltig beziehungsweise ökologisch investieren. Zu diesem Zweck sind zukünftig - zusätzlich zu den übrigen Aufklärungspflichten - die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden abzufragen. Der Anlageberater muss also zunächst wie bisher die Kenntnisse und Erfahrungen, die finanzielle Situation, die Fähigkeit zur Verlusttragung, die Risikotoleranz sowie die Anlageziele des Kunden ermitteln.

Das gesamte Prozedere inklusive der individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen gilt ab 2. August 2022 für Neukunden. Dagegen können Finanzdienstleister bei bestehenden Kunden, für die eine Eignungsbeurteilung durchgeführt wurde, bis zur nächsten regulären Aktualisierung mit der Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen zuwarten. Zudem sind Nachhaltigkeitsrisiken künftig laufend von den Wertpapierfirmen zu berücksichtigen. Die firmeninternen Prozesse, Systeme und Kontrollen wird man entsprechend anpassen müssen.

Aus den bisherigen Ausführungen lässt sich gut erkennen, dass in naher Zukunft neue Begrifflichkeiten in der Anlageberatung verwendet werden. Die "Nachhaltigkeitspräferenz" ist etwa die Entscheidung des Kunden, in bestimmte Finanzprodukte zu investieren. Dabei kommen Finanzinstrumente nach der EU-Taxonomie-Verordnung oder der EU-Offenlegungs-Verordnung infrage. Der Kunde kann auch Finanzinstrumente wählen, die negative Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen. Der Begriff des "Nachhaltigkeitsfaktors" orientiert sich wiederum an der EU-Offenlegungs-Verordnung.

Für den Anlageberater bedeuten die Änderungen, dass er dem Kunden zuerst die unterschiedlichen Finanzinstrumente erklären muss. Danach ist der Kunde zu fragen, ob er überhaupt in solche Finanzprodukte investieren möchte. Die Nachhaltigkeitspräferenzen sind im Anschluss zu präzisieren, und der Kunde wählt dann zwischen den unterschiedlichen Finanzinstrumenten. Der Finanzdienstleister muss unter anderem die relevanten Finanzprodukte, die Anbieter und eventuell die Nachhaltigkeitsfaktoren beschreiben.

Nachhaltigkeitsgrade besser verstehen

Die delegierte VO 2021/1253 soll nach der Intention der Europäischen Kommission die Situation für interessierte Anleger verbessern: Sie müssen sich nicht mehr mit vielen EU-Verordnungen auseinandersetzen, können die verschiedenen Nachhaltigkeitsgrade besser verstehen und ihre Anlageentscheidungen daran ausrichten. Dennoch bleibt abzuwarten, wie die neuen Vorgaben in der Praxis umgesetzt werden, und ob dieses Ziel tatsächlich erreicht wird.

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