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Zentralbanken im Ungleichschritt

Von Sandra Holdsworth

Gastkommentare
Sandra Holdsworth ist Head of Rates bei Aegon Asset Management, einem weltweit tätigen Anbieter von Anlageplattformen, der Vermögen von 388 Milliarden Euro betreut.
© Aegon Asset Management

Fed, EZB und Bank of England gehen trotz gleicher Probleme unterschiedliche Wege. Die Inflation wirkt beim Verbraucherverhalten wie eine Steuer.


Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed), die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England gehen derzeit unterschiedliche Wege, obwohl sie mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede in den geldpolitischen Entscheidungen. Die Fed lässt die Inflation sozusagen als eine Art "Steuer" auf die Verbraucher wirken, um die Nachfrage zu dämpfen. Dies gelingt auch. Die EZB scheint unterdessen bereit zu sein, die Märkte zu beruhigen, während die Bank of England deren Zinserwartungen nicht erfüllen wird.

In den vergangenen Monaten sind die großen Zentralbanken in den Mittelpunkt der Finanzmärkte gerückt. Die Ausrichtung wechselte von einer Corona-bedingt sehr lockeren Geldpolitik zu einer restriktiveren Politik aufgrund der zunehmenden Inflationssorgen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Inflation in den kommenden Monaten entwickeln wird, aber es gibt durchaus Anzeichen dafür, dass die "Steuer", die den Verbrauchern durch höhere Lebensmittel- und Energiepreise auferlegt wird, das Kaufverhalten beeinträchtigt.

Auch der starke Anstieg der US-Hypothekenzinsen wird voraussichtlich den weiteren Anstieg der Immobilienpreise bremsen. Letztendlich ist es das, was die Fed erreichen will: nämlich die Gesamtnachfrage besser mit dem verfügbaren Angebot in Einklang zu bringen.

Gefahr einer Rezession ist nach wie vor hoch

Da die Geldpolitik ein stumpfes Instrument mit langen und variablen Verzögerungen darstellt, ist das Risiko einer von der Fed ausgelösten Rezession nach wie vor recht hoch und könnte mit der jüngsten Zinserhöhung in den USA um 75 Basispunkte sogar noch gestiegen sein. Da sich die meisten Zentralbanken in einer ähnlichen Phase der Straffung und Inflationsbekämpfung befinden, könnte diese Konjunkturabschwächung sehr wohl globaler Natur sein.

Letztendlich wird die Fed bei der Reduzierung der Gesamtnachfrage wohl erfolgreich sein, wobei im nächsten Jahr eine Art rezessiver Impuls wahrscheinlich ist. Dies wird die Fed wahrscheinlich dazu zwingen, die Federal Funds auf ein normaleres Niveau zu bringen, wobei US-Treasuries die voraussichtlichen Profiteure eines solchen Geldpolitikwechsels sein werden.

Anhaltend hohe Inflation macht der EZB Sorgen

Der allgemeine Übergang zur Normalisierung der Geldpolitik der EZB und ihre jüngste Beschleunigung sind ein Signal der Sorge über das hohe Inflationsniveau. Erst am Donnerstag hat die EZB den Leitzins deutlich angehoben, um der hohen Inflation in der Eurozone Herr zu werden. Das Anstreben niedrigerer Renditen in hochverschuldeten Ländern könnte allerdings politische Probleme für den EU-Block auslösen.

Der Spread zwischen Italien und Deutschland hatte sich schon vor dem sich nun abzeichnenden Rücktritt von Mario Draghi als Premier um fast 30 Basispunkte verengt, wobei der zehnjährige Spread bei etwa 207 Basispunkten gehandelt wird. Die Märkte scheinen davon überzeugt zu sein, dass die EZB eingreift, wenn sich diese Spanne weiter ausweitet. Die Verringerung des Spreads wird jedoch nichts am allgemeinen Anstieg der Renditen ändern, der zur Eindämmung der höheren Inflation erforderlich ist.

Die EZB hat sich selbst in eine schwierige Lage gebracht, in der eine straffere Geldpolitik erforderlich ist, um die höhere Inflation zu bekämpfen. Dies könnte jedoch auch zu einer Zersplitterung der Renditen in der Eurozone und zu höheren Zinsen für die Peripherieländer führen, die bereits eine hohe Schuldenlast haben. Niedrigere Renditen für Länder mit einer hohen Schuldenlast anzustreben, könnte zu erheblichen politischen und rechtlichen Auseinandersetzungen führen, da die Geldpolitik der EZB für jedes Land in angemessener Weise durchgeführt werden soll.

Bank of England sieht in Inflation globales Problem

Schließlich scheint die Bank of England trotz einiger düsterer Wirtschaftswarnungen für die britische Wirtschaft stetig voranzukommen. Der Hauptgrund dafür ist, dass sie die Inflation als ein globales und nicht als ein inländisches Phänomen betrachtet. Deshalb wird die BoE die Zinssätze deutlich unter den Markterwartungen halten. Im Juni sind sie auf 1,25 Prozent gestiegen.

Die Bank of England macht sich neben der Inflation auch Sorgen wegen der angespannten Lage auf dem britischen Arbeitsmarkt. Längerfristig rechnet sie mit einer Schwäche der britischen Wirtschaft infolge des Rückgangs der Realeinkommen und der Auswirkungen, die dies auf die Verbraucher haben wird. Mittelfristig erwartet sie, dass die Inflation auf das Zielniveau zurückkehren wird, wenn die gegenwärtigen Angebots- und Energieschocks in der Weltwirtschaft vorübergehen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass die Zinssätze in Großbritannien ihren Höchststand bei etwa 1,5 Prozent erreichen werden, was deutlich unter dem derzeitigen Marktpreisniveau liegt.