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Die Lehren aus der aktuellen Nahrungsmittelkrise

Von Rahul Bhushan

Gastkommentare
Rahul Bhushan ist Mitgründer von Rize ETF, Europas erstem Anbieter von thematischen, börsengehandelten Indexfonds mit Sitz in London.
© Rize ETF

Der stark vernetzte globale Markt ist nicht besonders robust.


Der Stellenwert der Ukraine und Russlands für den weltweiten Getreidemarkt ist kein Geheimnis. Ein Viertel aller weltweiten Weizenexporte entfallen auf diese beiden Länder, die sich nun endlich über die Ausfuhren aus der Ukraine geeinigt haben, und auch beim globalen Maisexport machen beide Staaten rund 17,5 Prozent aus. Die aus dem Ukraine-Krieg resultierenden Probleme haben deutlich gezeigt, dass unser stark vernetzter globaler Lebensmittelmarkt nicht besonders robust ist.

In den vergangenen 50 Jahren hat sich ein zentralisiertes Lebensmittelsystem aufgebaut, in dem Länder ihre komparativen Vorteile gezielt bei einzelnen Lebensmitteln maximiert haben. Daraus resultierte eine stark vernetzte und voneinander abhängige Import-Export-Wirtschaft. Profiteur war der Konsument, der von den niedrigen Kosten und der ständigen Verfügbarkeit der Lebensmittel profitiert hat. Der durch den Ukraine-Krieg entstandene Angebotsschock zeigt jedoch, dass diese Import-Export-Lebensmittelwirtschaft schon immer mit Risiken behaftet war - die Auswirkungen sind nun bei allen vier von den Menschen am meisten verzehrten Nahrungsmitteln (Weizen, Mais, Reis und Kartoffeln) zu spüren. Und die Probleme werden sich in den kommenden Monaten auch auf andere Lebensmittel ausweiten.

Wie könnte ein krisensicheres Lebensmittelsystem aussehen? Zwei Dinge sind dafür elementar: Das System muss nachhaltig und gleichzeitig widerstandsfähig sein. Die Notwendigkeit der Nachhaltigkeit liegt auf der Hand, nur so können die Umweltauswirkungen auf Landwirtschaft und Lebensmittel gehandhabt werden. Wie bei der Energie müssen wir auch bei unseren Lebensmitteln beginnen, sparsam damit umzugehen und von der Vorstellung unbegrenzter Ressourcen abkommen.

Nachhaltigkeit allein wird allerdings nicht reichen. Auch Widerstandsfähigkeit ist gefragt. Diese Widerstandsfähigkeit muss nicht zwingend auf Kosten einer funktionierenden Importwirtschaft gehen. Nicht selten kommt es vor, dass wohlhabende Länder ihre Lebensmittel aus weniger wohlhabenderen Ländern importieren und durch diese Importe den Lebensunterhalt von Bauern mit niedrigem Einkommen sichern.

Allerdings rechtfertigt eine funktionierende Importwirtschaft nicht, völlig auf eigene Investitionen in Lösungen für das Krisenmanagement zu verzichten. Eine krisensichere Lebensmittelinfrastruktur kann verschiedenste Formen haben. Von der Errichtung heimischer vertikaler Farmen über die Förderung der Landwirtschaft unter kontrollierten Bedingungen in städtischen Gebieten bis hin zu Investitionen in die Wissenschaft, die dazu beitragen, die Haltbarkeit von Lebensmitteln zu verlängern.

Wenn wir uns langfristig mit leistbaren Lebensmitteln ernähren wollen, müssen wir widerstandsfähiger, einfallsreicher und weniger abhängig von immer teurer werdenden Importen werden. Zusätzlich sollte eine Umstellung zu pflanzlicher Ernährung in Betracht gezogen werden.

Die Schwachstellen unseres Ernährungssystems sind spätestens mit dem Krieg in der Ukraine offenkundig geworden. Nun gilt es, ihnen entgegenzuwirken.