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Fossile sind nicht alle gleich schädlich

Von Franz Nauschnigg

Gastkommentare
Franz Nauschnigg war bis zu seiner Pensionierung im Mai 2019 Abteilungsleiter für Integrationsangelegenheiten und Internationale Finanzorganisationen in der Oesterreichischen Nationalbank. In den 1990er Jahren beriet er die Finanzminister Andreas Staribacher, Viktor Klima und Rudolf Edlinger.
© Christine Weinberger

Sind Kohlekraftwerke in Summe besser fürs Klima als Gaskraftwerke mit russischem Gas?


Nachdem Russland Gas als Waffe einsetzt, ersetzen Österreich und Deutschland, aber auch andere Länder mit russischem Gas betriebene Gaskraftwerke durch Kohlekraftwerke. Dies verurteilen Umweltschutzorganisationen als schädlich fürs Klima, da dadurch die CO2-Emissionen steigen. Was sie aber nicht berücksichtigen: Gas besteht zum Großteil aus Methan, und bei der Gasförderung und -verteilung kommt es immer wieder zu Lecks, bei denen dieses Methan in die Umwelt entweicht.

Methan ist über 20 Jahre gerechnet mehr als 80 Mal so klimaschädlich wie CO2. Etwa 40 Prozent der bisherigen Erderwärmung sind dem jüngsten UN-Klimabericht (IPCC) zufolge auf Methan zurückzuführen. Maßnahmen gegen Methanemissionen würden daher schon kurz- bis mittelfristig große Wirkungen entfalten. Methan ist 2021 in Rekordtempo angestiegen. Die Konzentration in der Atmosphäre erhöhte sich um 17 ppb (parts per billion). Das ist der höchste Anstieg seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1983, berichtete die US-Ozean- und Atmosphärenbehörde (NOAA) auf Basis von Messungen des Mauna-Loa-Observatoriums auf Hawaii.

EU-Taxonomie ändern

Schon 2020 war die Methankonzentration schneller gestiegen als je zuvor seit Aufzeichnungsbeginn. Um die Jahrtausendwende war der Methanpegel etwa ein Jahrzehnt lang stabil und steigt erst seit 2007 wieder stark an. Woher das zusätzliche Gas kommt, ist umstritten. Viele Fachleute vermuten Lecks bei der Förderung und Verteilung von Erdgas als Hauptursache des Problems, weil dessen Förderung seit der Jahrtausendwende deutlich angestiegen ist.

In offenen Gesprächen der European Task Force on Carbon Pricing mit US-Vertretern wiesen diese auf "our dirty little secret" hin: Die USA haben nämlich ihre CO2-Emissionen verringert, indem sie Kohle- durch Gaskraftwerke ersetzt haben. Aufgrund der Methanlecks sei der Klimaeffekt von Kohle- und Gaskraftwerken ähnlich, wenn man sowohl die CO2- als auch die Methanemissionen berücksichtige. Und Satellitenmessungen hätten gezeigt, dass russisches Gas noch mehr Methanlecks aufweise als US-Gas. Bisher gab es dazu noch keine veröffentlichten Studien.

Jetzt hat aber das renommierte Rocky Mountain Institute den "Oil Climate Index plus Gas" geschaffen, der die klimaschädlichen Gesamtemissionen misst. Wie es die Agentur Bloomberg zusammenfasste: "World’s dirtiest oil and gas fields are in Russia, Turkmenistan and Texas." Das russische Astrakhanskoye-Gasfeld ist demnach das umweltschädlichste weltweit, auch weil die russische Gasinfrastruktur löchrig ist und hohe Gasverluste mit Methanemissionen aufweist.

Die Umweltschutzorganisationen lagen mit ihrer Kritik also falsch. Die Umstellung auf Kohlekraftwerke ist - für eine Übergangsfrist - wahrscheinlich besser fürs Klima als Gaskraftwerke, die mit russischem Gas betrieben werden. Aus der EU-Taxonomie sollte daher zumindest russisches Gas, wegen hoher Methanemissionen durch löchrige Pipelines, oder Gas überhaupt als klimaverträglich herausgenommen werden.

Gas einsparen

Insgesamt sollte der Einsatz fossiler Brennstoffe wie Kohle oder Gas möglichst rasch durch effizienteren Energieeinsatz und alternative Energieerzeugung, insbesondere mittels Windkraft, Sonnenenergie und Geothermie, ersetzt werden. Unter Umweltaspekten, aber auch zur Energiesicherheit sollten wir Gas wo immer möglich einsparen, die Biogasproduktion rasch ausbauen und unsere Abhängigkeit von russischem Gas so rasch wie möglich abbauen. Dazu konkrete Maßnahmenvorschläge:

Priorität hat die Reduktion des Gasverbrauchs.

Ausbau von Wind- und Solarenergie, um weniger Gas für die Stromproduktion einzusetzen: Mindestens 2 Prozent der Landfläche sollten für Wind- oder Solarstrom gewidmet werden.

Einsparungen im Gasverbrauch der Industrie - durch hohe Preise besteht schon ein starker Anreiz, eventuell sind Hilfen für Investitionen erforderlich. Zusätzlich sollte die Industrie auf andere Quellen - grünes Gas, Flüssiggas (LNG) oder Petroleumgas (LPG) - umsteigen oder auch Gas durch Strom oder Öl ersetzen.

Haushalte sollten Gasherde und alte Elektroherde gegen Induktionsherde austauschen - das sollte mit etwa 100 Euro allgemein subventioniert werden und mit mehr Geld für ärmere Haushalte.

Gasthermen fürs Warmwasser können durch Wärmepumpen ersetzt werden - mit etwa 300 Euro allgemeiner Subvention und mehr Geld für ärmere Haushalte.

Gasheizungen sind durch Fernwärme oder Wärmepumpen zu ersetzen - für ärmere Haushalte subventioniert, abhängig von Einkommen und Vermögen bis zu 100 Prozent.

Um Haushalte zum Gassparen zu motivieren, sollte nur ein Durchschnittsverbrauch garantiert werden, bei höherem Verbrauch käme es zu Abschaltungen wie in der Industrie. Es ist nicht einzusehen, dass Industriebetrieben das Gas ausgehen sollte, was viele Arbeitslose zur Folge hätte, während vermögende Haushalte ihren privaten Swimmingpool oder ihre Sauna noch weiter betreiben könnten.

Für Immobilieneigentümer sollte es Abschläge beim Mietpreis geben, wenn weiter eine Öl-, Kohle- oder Gasheizung genutzt wird. Beginnend ab 2023 mit 5 Prozent, würden diese Abschläge um weitere 5 Prozent pro Jahr erhöht. Das würde einen geringen Teil der Windfall-Gewinne durch den Anstieg der Immobilienpreise der vergangenen Jahre abschöpfen und Hauseigentümern einen Anreiz geben, aus fossilen Brennstoffen auszusteigen.