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Wir sind noch nicht über dem Berg

Von Alexander Eberan und Sieglinde Klapsch

Gastkommentare

Welchen Weg schlagen die Notenbanken ein, um die Inflation in Schach zu halten?


Die Notenbanken sind nicht zu beneiden. Die Entwicklung der Realzinsen (Zinserträge abzüglich Teuerungsrate) ist so extrem rasch verlaufen, dass diese ein historisch hohes Niveau im negativen Sinn erreicht haben. Sollte die Inflationsrate noch weiter steigen, wäre ein starkes Gegensteuern der Zentralbanken notwendig - mit der Gefahr einer ordentlichen Schleifspur des Wirtschaftswachstums. Unabhängig aller ihrer zur Verfügung stehenden Instrumente wollen die Notenbanken zwar verbal und argumentativ die hohe Teuerung bekämpfen, müssen aber die Zinserhöhungen an die Aussichten für das Wirtschaftswachstum koppeln. Das ist gegenüber den 1970er und 1980er Jahren ein Paradigmenwechseln. Damals entschieden sich die Notenbanken für sehr hohe Zinssätze noch vor der Welle hoher Inflationsraten und konnten diese somit einfangen. Davon sind sie heute meilenweit entfernt.

So paradox es aus heutiger Sicht klingen mag: Jahrelang versuchten insbesondere EZB und Fed, die damals niedrige Inflationsrate auf die Zielmarke von 2 Prozent zu heben. Sie konzentrierten sich im Rahmen einer expansiven Geldpolitik auf die Schaffung großer Liquiditätsmengen an Geld, um diese im Wirtschaftskreislauf unterzubringen. Dazu gab es Zinssätze nahe oder sogar unter Null. Externe Faktoren wie Corona und der Ukraine-Krieg haben in wenigen Wochen geschafft, woran die Notenbanken scheiterten.

Grundsätzlich haben die Notenbanken unterschiedliche Aufgaben. Die Fed hat den Auftrag, neben der Inflationssteuerung auch das Wirtschaftswachstum im Auge zu behalten. Die einzige Aufgabe der EZB ist es, für Geldwertstabilität zu sorgen, was ihr nicht immer leicht gemacht wird. Der Brexit hat Europas Hardcore-Front in Wirtschaftsfragen deutlich geschwächt. Nun ist die EZB mit mehr politischem Einfluss der früher traditionellen Weichwährungsländer konfrontiert.

Während die Zentralbanken versuchen, die galoppierende Inflation einzufangen, ist der Markt schon einen Schritt weiter und sieht sie in der Pflicht, einer sich anbahnenden Rezession gegenzusteuern, vor allem in den USA. Darunter verstehen die Marktteilnehmer eine Atempause bei den laufenden Zinserhöhungen der Fed oder sogar eine Reduktion der Zinsen im kommenden Jahr. In diesem Szenario werden mehrere Argumente ins Treffen geführt: dass etwa die Inflation durch ein Abflauen des Ukraine-Krieges, einen deutlichen Rückgang der Energiepreise und eine Entlastung bei den Lieferkettenengpässen in den kommenden Monaten zurückgehen könnte. Solche Überlegungen sind legitim, aber letztlich nur ein Szenario von vielen. Immerhin ist es noch kein Jahr her, dass die Fed dem Markt erklärt hat, die deutlichen Preissteigerungen seien nur temporär. Heute weiß man: Diese Einschätzung war schlichtweg falsch.

Die Inflation wird sich zwar nach unten bewegen, aber sie wird sich auf höherem Niveau als vor der Corona- und der Ukraine-Krise einpendeln. Auch wenn es entspannende Effekte etwa am Rohölmarkt gibt, findet in den USA die Teuerung schon seit einiger Zeit ihren Niederschlag in Lohnsteigerungen. Weitere Preisanstiege werden also nicht mehr ausschließlich von den Energiemärkten getrieben werden.