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Digitaler Klimaschutz auch in Altbauten

Von Georg Stadlhofer

Gastkommentare
Georg Stadlhofer ist Geschäftsführer des europäischen Beratungs-, Planungs- und Projektmanagementunternehmens Drees & Sommer in Österreich mit Sitz in Wien und Linz.
© Drees & Sommer

Neubauten in Wien sind im Betrieb bereits großteils CO2-neutral und frei von fossilen Energieträgern. Der Schlüssel zu einer deutlichen Reduktion der CO2-Emissionen bei Immobilien liegt in der Revitalisierung von Bestandsgebäuden.


Das Stadtbild Wiens wird stark von geschichtsträchtigen Zinshäusern der Gründerzeit geprägt. Sie geben der Stadt ein besonderes Flair und sind am Immobilienmarkt sehr gefragt. Während die Preise für solche Gebäude seit Jahren kontinuierlich stark ansteigen, hat man ihnen in Sachen Nachhaltigkeit und CO2-Ausstoß bisher eher weniger Aufmerksamkeit entgegengebracht. Dabei ließen sich gerade Bestandsgebäude mit thermischer Sanierung, Digitalisierung des Gebäudebetriebs oder auch mit Begrünung ressourcenschonend revitalisieren. Und darin liegt wiederum der Schlüssel zu einer deutlichen Reduktion von CO2-Emisionen bei Immobilien.

Rund 36 Prozent der gesamten CO2-Emissionen kommen derzeit aus der sogenannten gebauten Umwelt. Die Wiener Bauordnung gibt mittlerweile vor, dass Neubauten nicht mehr mit Heizsystem mit fossilen Energieträgern errichtet werden dürfen. Somit wurde hier schon viel Positives für mehr Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft in Gang gesetzt. Jedoch betrifft dies nur rund 1 Prozent des Gebäudebestands. Um also wirklich den CO2-Ausstoß signifikant zu senken, muss er klimafit und zukunftsfähig revitalisiert werden.

Um aber gerade im Zinshausbereich des Wiener Bestandes thermische Sanierungen oder nachhaltige Umbauten anzustoßen, bräuchte es in erster Linie neue Anreize für Projektentwickler oder Eigentümer. Die Immobilien würden eine Aufwertung erfahren, die uns helfen würde, wertvolle Rohstoffe zu sparen und die Wiener Zinshausgeschichte langfristig zu erhalten. Erfreulicherweise rückt dieses Thema immer stärker in den Fokus. Unter anderem ruft die FMA Austria, das unternehmensbezogene Netzwerk für Facility Management in Österreich, im Rahmen seiner CO2-Countdown-Initiative zu Sanierungen im Bestand auf. Ziel ist es, den Einsatz von Ressourcen wie Flächen, Baustoffen und Energie zu senken sowie fossile Energie durch erneuerbare Energie zu ersetzen.

Herausforderung Gebäudekühlung

Mit digitaler Gebäudesteuerung kann der Energieverbrauch im Gebäude bis ins kleinste Detail erfasst und analysiert werden. Mit den daraus gewonnenen Rückschlüssen und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz lässt sich in der Folge die Energieeffizienz in allen Bereichen deutlich steigern. Wir werden es in Zukunft nicht mehr schaffen, ohne Digitalisierung Gebäude effizient zu steuern.

Einen der Knackpunkte, um im Gebäudebetrieb den Energieaufwand zu senken, stellt derzeit noch die immer wichtiger werdende Gebäudekühlung dar. Es braucht noch Entwicklungsarbeit für alternative Kühlmöglichkeiten, um Energie zu sparen. Im Fokus stehen derzeit qualitativ hochwertige, hitzeundurchlässige Fensterglasscheiben, aber auch gezielte Fassadenbegrünung. Gearbeitet wird auch an sogenannten Free-Cooling-Systemen, bei denen nicht nur mit Energie Kälte erzeugt, sondern vorhandene Kälte genutzt wird. Immer öfter kommt Fernkälte zum Einsatz, auch in Wien. So wird beispielsweise in den von Drees & Sommer betreuten TrIIIple Towers am Donaukanal Fernkälte genutzt. Ein Flusskraftwerk erzeugt die für die drei Wohn-Hochhäuser notwendige Energie.

Kreislauffähigkeit von Gebäuden

Neubauten in Wien sind im Betrieb bereits CO2-neutral. Jedoch wird das für das Erreichen der Klimaziele nicht ausreichen. Auch in der Errichtung von Gebäuden braucht es Maßnahmen zur Reduktion der CO2-Emissionen, beispielsweise durch einen Fokus auf die Kreislauffähigkeit der Gebäude. Baurechtlich ist dies noch nicht verankert, somit müssen derzeit bei der Errichtung von Neubauten keine kreislauffähigen Materialien eingesetzt werden.

Jedoch steigt der Druck, generell mehr zu tun, als derzeit vielleicht verordnet ist. Beispielsweise mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die die Europäische Union im Juni 2022 beschlossen hat. Ziel der Richtlinie ist es, einheitliche Nachhaltigkeitsstandards in Europa zu schaffen und Green Washing zurückzudrängen. Immer mehr Unternehmen müssen künftig somit die Folgen ihrer Geschäftstätigkeiten auf Umwelt, Menschenrechte und Sozialstandards in Form eines zertifizierten Nachhaltigkeitsberichts offenlegen. Dies erfordert in Unternehmen heute entsprechende Weichenstellungen und ein generelles Umdenken.

Besonders viel Potenzial liegt dabei im Bereich von Gebäuden und betrieblicher Infrastruktur, sei es bei der Errichtung oder im Betrieb. Allein durch den effizienten Einsatz von Ressourcen beziehungsweise nachhaltigen Materialien könnte viel CO2 eingespart werden. Viele Unternehmen sehen Gebäude beziehungsweise entsprechende Emissionen als gegeben an und betrachten diese lediglich aus der Kostensicht. Jedoch gibt es in diesem Bereich gleich mehrere Hebel, um die hauseigene Nachhaltigkeitsbilanz zu verbessern, zur nachhaltigen Energiegewinnung und Emissionsreduktion beizutragen und gleichzeitig Kosten zu sparen.

Vision 2040: grüner, natürlicher und organischer

Im Jahr 2040 wird Österreich grüner, natürlicher und organischer sein. Die technische Qualität von Gebäuden wird weiter steigen, genauso wie die Möglichkeiten, Gebäude sowohl in der Errichtung als auch im Betrieb grundlegend nachhaltiger zu gestalten. Das Wiener Stadtbild wird auch dann von den geschichtsträchtigen Zinshäusern geprägt sein, nur wird zum Unterschied zu bisher auf die Nachhaltigkeit dieser Gebäude vielmehr Augenmerk gelegt werden.