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Ein Sommer wie damals?

Von Lukas Bittner

Gastkommentare
Lukas Bittner hat Politikwissenschaft studiert und ist Mitarbeiter in der Abteilung Militärstrategie im Bundesministerium für Landesverteidigung.
© privat

Multiple Krisen erfordern jetzt grundlegende Entscheidungen.


Fast könnte man meinen, wir hätten einen Sommer wie damals; vor der Pandemie, dem Krieg in der Ukraine, unterbrochenen globaler Lieferketten und verminderten Gaslieferungen. Die Hotels sind ausgebucht, und die heißen Sommertage werden bis spät in die Nacht ausgekostet. Nur die vielen Flugverspätungen und -absagen sowie liegengebliebene Koffer, die sich in den Flughäfen türmen, stören so machen Urlaubsgenuss.

Allerdings brauen sich am Horizont erste dunkle Wolken zusammen, ein stürmischer Herbst steht uns bevor. Die Risikoanalysen gehen von einem möglichen Zusammentreffen mehrerer Krisen aus, die kumulativ massive Auswirkungen auf Österreich und die EU haben. Zum einen tobt wenige hundert Kilometer von Österreich noch immer ein konventioneller Krieg. Auch wenn beide Seite in manchen Bereichen gewisse Erschöpfungszustände erkennen lassen, ist keine Beruhigung in Sicht. Im Gegenteil, eine Lösung ist nicht absehbar. Der Krieg ist nach Europa zurückgekehrt und wird uns vermutlich noch länger begleiten. Umso mehr verwundert es, dass nach mehr als fünf Monaten Ukraine-Krieg bis heute keine Entscheidung über eine bessere finanzielle Ausstattung des Bundesheeres getroffen wurde. Die wichtige Forderung von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, den Verteidigungsetat auf 1,5 Prozent des BIP zu erhöhen, ist bis heute nicht umgesetzt. Das ist nicht nur unverantwortlich, sondern geradezu gefährlich.

Zweitens treffen uns die verminderten Gaslieferungen aus Russland und das Damoklesschwert einer Energiekrise zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. In den vergangenen Jahren wurden in Europa zahlreiche kalorische und nukleare Kraftwerke zugunsten erneuerbarer Technologien vom Netz genommen. Diese klimapolitisch richtige Entscheidung wurde auf Kosten der Energiesicherheit beziehungsweise deren Stabilität getroffen. Ohne ausreichende Übertragungs- und Speicherkapazitäten ist die Grundlast der europäischen Energienetze nur durch sogenannte Brückentechnologien (Gaskraftwerke und AKW) zu erhalten. Diese wurden oder werden planmäßig entweder abgeschaltet (AKW) oder fallen durch verminderte Gaslieferungen womöglich aus. Hier braucht es eine europäische Anstrengung, (abgeschaltete) Reserven frühzeitig wieder hochzufahren, und vor allem muss dies ehrlich der Bevölkerung kommuniziert werden. Ein Beschwichtigen kann zu einem "eiskalten" Ergebnis führen.

Schlussendlich ist drittens die Pandemie noch nicht vorbei. Trotz einem quantitativ geringeren Testaufkommen ist die Zahl der positiven Fälle anhaltend hoch. Auch wenn die Hospitalisierungen im Vergleich mit anderen Wellen geringer sind, kann die nächste Welle (je nach Variante) eine zunehmende Belastung für das Gesundheitssystem, aber auch die allgemeine Wirtschaft (Krankenstände) werden.

Die multiplen Krisen, die sich zusammenbrauen, sind zum Teil absehbar, daher müssen wir uns jetzt darauf vorbereiten. Ein "Das hat ja keiner kommen gesehen!" darf in den kommenden Monaten kein Argument sein. Vielmehr sind jetzt grundlegende politische Entscheidungen und deren klare Kommunikation notwendig.