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Arbeits-Los

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Dass immer mehr Menschen immer weniger arbeiten wollen, liegt auch an einem perversen Steuerrecht.


Jeder Unternehmer oder Personalmanager kennt das eigenartige Phänomen mittlerweile: Ein recht attraktiver Job ist frei, es gibt auch durchaus geeignete Kandidaten - aber niemanden, der (oder die) bereit ist, menschenverachtende 38 oder gar 40 Stunden pro Woche zu arbeiten. Viele, vor allem jüngere Beschäftigte streben Halbtagsjobs mit 20, allerschlimmstenfalls vielleicht 30 Wochenstunden an, alles darüber gilt als Zumutung. Diese eigenartige Mentalität gilt als eine der Ursachen für den früher so nicht gekannten Mangel an Arbeitskräften. Was wiederum dazu führt, dass Unternehmen nicht alle Aufträge ihrer Kunden annehmen können, lange Wartezeiten entstehen und insgesamt das Wachstum und die Prosperität der Volkswirtschaft leiden.

Als Ursache dieser partiellen Arbeitsverweigerung wird vor allem von Unternehmerseite oft eine Art Wohlstandsverwahrlosung angeführt, also eine vor allem dem hohen allgemeinen Lebensstandard geschuldete Abneigung gegenüber Leistung und Anstrengung. "Work-Lifetime-Balance" wird das neuerdings genannt, also eine Umprogrammierung des Wertekompasses von der Lust an der Leistung hin zur Lust am leichten Leben. Gerade Jüngere argumentieren oft, sie hätten das stark leistungsorientierte Leben ihrer Eltern als wenig nachahmenswert erlebt und zögen nun eben die Konsequenzen daraus.

Man kann das bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, auch wenn es irritiert, wenn offenbar eine ganz Generation so wenig Freude daran zu haben scheint, etwas zu leisten, Erfolg zu haben und damit auch etwas stolz auf sich selbst zu sein; vom finanziellen Aspekt einmal ganz abgesehen. Volkswirtschaftlich hingegen ist das ausgesprochen problematisch. Denn eine Gesellschaft, die bewusst einen Teil ihrer Produktionskapazitäten nicht nutzt, verarmt (das gleiche Phänomen zeigt sich, wenn etwa Frauen aus kulturellen Gründen nicht arbeiten dürfen oder zu viele zu früh in Pension gehen). Damit wird aber die Entscheidung des Einzelnen, Malochen durch Müßiggang zu ersetzen, zur Belastung für alle anderen, die das nicht so sehen; ganz besonders, wenn das viele andere genauso sehen. Was für den Einzelnen ein Gewinn als Lebensqualität sein mag, wird für die Gesellschaft ein Verlust von Wohlstand. Und, nebenbei, der Fähigkeit, den Sozialstaat weiterhin üppig zu finanzieren.

Teil des Problems ist freilich, dass bei uns auch bei mittleren Bezügen zusätzliche Arbeit dank schon dort viel zu hoher Steuersätze sich nicht entsprechend netto auszahlt. Wer etwa, statt für eine 20-Stunde-Woche 1.700 Euro brutto zu verdienen, 40 Stunden für 3.400 Euro arbeitet, bekommt gerade 900 Euro netto für die 80 zusätzlichen Arbeitsstunden - 11,20 pro Stunde, das ist für einen halbwegs qualifizierten Job nicht so berauschend; Transferleistungen für Kleinverdiener machen den Vollzeitjob noch unattraktiver. Man muss nicht unbedingt wohlstandsverwahrlost sein, um angesichts dieser Rechnung die Minderleistung vorzuziehen, wenn man es sich leisten kann. Zusätzliche Arbeit nicht so räuberisch zu besteuern, könnte durchaus Teil der Lösung sein.