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Kein Rauch ohne Feuer im Pandemiemanagement

Von Bernhard Martin

Gastkommentare
Bernhard Martin ist akademisch ausgebildeter Europa-Journalist in Wien. Als unabhängiger Mediensoziologe analysiert er das öffentliche Geschehen und kommentiert unter anderem für das Fachmagazin "soziologie heute".
© privat

Der mediale Spießrutenlauf des Gesundheitsministers wegen seiner Corona-Politik erfolgt zu Unrecht.


Der grüne Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch musste nach dem von ihm erklärten Ende der Covid-Quarantäne durch einen medialen Spießrutenlauf. Die sensationsgierige Journaille nahm das Bashing aus Ärzteschaft, Virologie und Bioinformatik dankbar auf. Da wundert es nicht, dass der 63-Jährige - um seine Beliebtheitswerte als Regierungsmitglied besorgt? - sich medienöffentlich den vierten Stich setzen ließ, nachdem das Nationale Impfgremium eine diesbezügliche Empfehlung für über 65-Jährige auf Personen ab 60 Jahre geändert hatte.

Und doch müssen die Hardliner bei den Pandemiemaßnahmen abrüsten. Seit etwa einem halben Jahr sind auch hierzulande die Weichen auf "schmutzige Impfung" - also Durchseuchung - gestellt, und seit 11. August ist auch in den USA der Zug für die Befürworter einer "Zwangsimpfung" abgefahren. Das Center of Desease Control (CDC) hat eine Richtlinie veröffentlicht, in der für Corona zwar noch den (WHO-)
Pandemie-Charakter anerkannt wird, doch das Alltagsleben der Menschen als davon "nicht mehr schwer gestört" gilt. Die in den USA für Geimpfte wie Nicht-Geimpfte geltende CDC-Richtlinie unterm Strich: Die Impfentscheidung ist und bleibt individuell. Wer ohne Symptome ist, kann zu nichts gezwungen werden. In den Schulen und Universitäten sollen alle ein- und ausgehen können etc.

Minister Rauch hat einen Portefeuille-gemäß harten Job zu machen und darf sich als Sozialminister beim Pandemiemanagement nicht von akademischen Standesinteressen und industriellem Lobbyismus beirren lassen. Derlei Kalküle beziehungsweis e berufsständische Motive dürften erklären, warum sogar Rauchs Ehefrau - als Ärztin und SPÖ-Politikerin - sein Quarantäne-Aus kritisierte. Unabhängige, sachlich begründete Entscheidungen - das erwartet sich das Elektorats von demokratischer Politik in einer Republik. Der Wildwuchs an landesweit unterschiedlichen Regelungen in Österreich muss jetzt einheitlicher und wieder weniger streng gestaltet werden.

Der ehemalige Sozialarbeiter Rauch weiß um die Nöte prekär lebender Menschen und hat die sozioökonomischen Folgen von überschießenden Corona-Maßnahmen für Land und Leute schwerwiegender zu gewichten als epidemiologische Warnungen aufgrund statistischer Zahlen. Daran ist demokratiepolitisch nicht zu rütteln. Erfahrungswissenschaftlich begründete Gesundheitspolitik wird weiter umstritten bleiben, solange mittels hypothetischer Rechenmodelle oder Hamster-Studien (zur Wirkung von FFP2-Masken) mediale Störfeuer ausgelöst werden können beziehungsweise Pharmakonzerne ihre Studienergebnisse nicht veröffentlichen müssen.

Nach gesellschaftspolitischen Kriterien gilt also "Feuer aus!", was Minister Rauch und andere in sozialer Verantwortung öffentlich zu betonen hätten. Anders als sein deutscher Amtskollege, Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der als Arzt sich offenbar anderen Prioritäten unterworfen sieht und ein den sozialen Frieden in Deutschland gefährdendes Pandemiemanagement verantwortet.