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Leseschwäche

Von Monika Rosen

Gastkommentare
Monika Rosen ist Börsen-Expertin und Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft. Mehr als 20 Jahre war sie Chefanalystin einer österreichischen Großbank. Twitter: @Monika_Rosen

Bildung von Frauen als Investition in die Zukunft.


"Die Feder ist mächtiger als das Schwert", lautet ein altes Sprichwort. In der Tat gehören die Erfindung der Schrift, der Buchdruck, aber auch der Siegeszug des Computers zu den herausragenden Geistesleistungen der Menschheitsgeschichte. In der modernen Wissensgesellschaft führt an der Alphabetisierung daher kein Weg vorbei.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat schon in den 1990er Jahren einen Zusammenhang zwischen Alphabetisierung und wirtschaftlicher Performance festgestellt. Und es geht dabei keineswegs nur um die Grundfertigkeiten. Denn die "funktionale Alphabetisierung" gemäß Definition der OECD bedeutet, lesen und schreiben zu können wie ein Neunjähriger. Damit ist man aber weder als Individuum noch als Volkswirtschaft konkurrenzfähig.

Und einmal mehr gibt es besonderen Aufholbedarf bei den Frauen. Sie stellen weltweit zwei Drittel der Analphabeten. Während in den vergangenen 20 Jahren die Alphabetisierungsrate unter Jugendlichen von 83 auf 91 Prozent gestiegen ist, blieb der Unterschied zwischen Mann und Frau annähernd gleich.

Besonders betroffen ist Indien, auf das Land entfallen ein Drittel aller weiblichen Analphabeten weltweit. Während 75 Prozent der indischen Männer zumindest einen gewissen Grad der Alphabetisierung erreicht haben, liegt die Quote bei den Frauen bei mageren 51 Prozent.

Aber nicht lesen zu können, heißt nicht nur, keinen Zugang zur Welt der Bücher zu haben. Es bedeutet auch, den Beipackzettel auf einem Medikament nicht lesen oder Kontobewegungen nicht verfolgen zu können. Auch die Bewerbung für einen Arbeitsplatz, der ein Einkommen über der Armutsgrenze garantiert, ist dann nicht wirklich möglich.

Interessant ist in dem Zusammenhang auch, dass eine Investition in die Bildung von Frauen mehr bewirkt als nur größere Chancengleichheit. Je mehr Schulbildung eine Frau hat, desto größere Überlebenschancen haben ihre Kinder. In Entwicklungsländern investieren Frauen 90 Prozent ihres Einkommens in ihre Familien. Frauen auszubilden bedeutet daher, ganze Familien zu unterstützen . . . und das sollte eigentlich auch den Männern am Herzen liegen.