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Über Übergewinne

Von Harald Oberhofer

Gastkommentare
Harald Oberhofer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und forscht am Wifo.
© Roman Reiter / WU

In Österreich hat aktive Wettbewerbspolitik leider kaum eine gelebte Tradition.


Als Kauderwelsch bezeichnet der Duden eine "aus mehreren Sprachen gemischte, unverständliche Sprache oder Sprechweise". Wirtschaftspolitisches Kauderwelsch entsteht, wenn unterschiedliche ökonomische Sachverhalte oder Wirkungsmechanismen miteinander vermischt und damit schlecht fundierte Schlussfolgerungen gezogen werden.

Die in Österreich laufende Debatte über sogenannte Übergewinne - ökonomisch korrekt wäre "Zufallsgewinne" (windfall profits) - lässt sich in diese Kategorie einordnen. Bei der Frage, welche Unternehmen in Österreich durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine durch Zufallsgewinne besonders profitieren, fallen meist zwei Namen: Verbund und OMV.

Der Verbund ist Österreichs größter Elektrizitätsversorger und erzeugt Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energien. Durch die Strompreisbildung am EU-Markt anhand des Merit-Order-Prinzips profitiert der Konzern bei unveränderten Produktionskosten vom gestiegenen Erdgaspreis, der letztlich den Strompreis am Markt bestimmt. In diesem Sinne fallen also beim Verbund über indirekte Kriegsfolgen Zufallsgewinne an.

Die OMV fördert als Mineralölkonzern Erdgas und Erdöl und raffiniert Benzin und Diesel. Die OMV profitiert somit von den stark gestiegenen Gaspreisen und den temporär erhöhten Ölpreisen.

Die Entwicklung der Öl- und Gaspreise ist im Vergleich zum Strommarkt eine direkte Folge des russischen Angriffskrieges. Die kontinuierliche Reduktion an Gaslieferungen durch Russland und die westliche Entscheidung, auf russisches Öl zu verzichten, führt zu einer Verknappung des Angebots bei gleichzeitig gestiegener Nachfrage durch beschleunigte Lagerbildung und Speicherbefüllung. Als Folge steigen die Preise. Beim Rohöl kann die ausgefallene Produktion mittlerweile weitestgehend durch andere Anbieter abgedeckt werden. Sein Preis ist folglich fast auf das Vorkriegsniveau zurückgefallen.

Die Preise für Benzin und Diesel steigen infolge der höheren Rohstoffpreise ebenfalls. Die wettbewerbsökonomisch relevante Frage in diesem Kontext ist, ob die Kostensteigerungen genutzt wurden, um die Preise überproportional anzuheben.

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat diese Frage nun für den Kraftstoffmarkt untersucht und kommt zum Ergebnis, dass vor allem die Erdölraffinerien ihre Bruttomargen, also den Preisaufschlag auf die Produktionskosten, verdreifacht haben. Dieses Untersuchungsergebnis ist ein Fall für die Wettbewerbspolitik und sollte somit auch in diesem Kontext diskutiert werden. Eine Vermischung mit den Vorgängen am Strommarkt ist dabei nicht hilfreich und läuft Gefahr, Kauderwelsch zu produzieren.

Wettbewerbspolitik soll verhindern, dass Unternehmen wettbewerbsbeeinträchtigendes Verhalten an den Tag legen, oder dieses nachträglich sanktionieren. Die letztjährige Novelle des Kartell- und Wettbewerbsrechts allerdings erlaubt unter bestimmten Bedingungen sogar neue, wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen. In Österreich hat aktive Wettbewerbspolitik leider, wie die vergangenen Jahre und die eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten der BWB zeigen, kaum eine gelebte Tradition.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.