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Postfossile Mobilität senkt die Treibstoffpreise

Von Farhad Shikhaliyev

Gastkommentare
Farhad Shikhaliyev ist Mobilitätsexperte und der österreichische Country Manager der Mobilitätsplattform Bolt.
© Bolt

Würde die Welt ihren Spritverbrauch nur um ein paar Prozent verringern, hätte das schon eine enorme Wirkung.


Österreichs Autofahrer fühlen sich von den exorbitanten Treibstoffpreisen abgezockt. Doch die aktuelle Prüfung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) konnte weder Marktmissbrauch noch Preisabsprachen oder Kartellbildung ausmachen. Das lindert die Wut der Autofahrer freilich kein bisschen. Erdöl zu fördern ist ja nicht teurer als früher. Trotzdem kostet der Liter Rohöl heute um 75 Prozent mehr als vor einem Jahr und um 130 Prozent mehr als vor drei Jahren. Die BWB erklärt das so: Die Gewinnmargen der Mineralölkonzerne und -raffinerien haben sich von den Rohölpreisen entkoppelt. Das heißt: Gas- und Strompreise fallen bei der Herstellung von Benzin und Diesel nicht ins Gewicht, eine drastische Produktknappheit - wenn etwa monatlich mehrere hunderttausend Tonnen Diesel weniger aus Russland kommen - allerdings schon. Das ließ die Großhandelspreise für Gas und Strom gegenüber dem Vorjahresquartal um gut 600 Prozent beziehungsweise 160 Prozent steigen. Man müsste also auf das Spiel von Angebot und Nachfrage wütend sein.

Besonders gut sichtbar wurde das am 20. April 2020. Verbrennungsmotoren hatten wegen der Pandemie gerade Pause. Ein Barrel Rohöl kostete damals kurzfristig minus 37,63 US-Dollar. Das heißt, Ölfirmen wären theoretisch bereit gewesen, dafür zu zahlen, dass ihnen jemand Öl aufgrund des enormen Überangebots und unzureichender Lagermöglichkeiten abnähme. Statt zu zahlen, haben sie natürlich gewartet, bis der Preis wieder stieg. Aber zum ersten Mal seit 30 Jahren sank die weltweite Raffinerieleistung. Personal musste abgebaut, Teile von Raffinieren mussten stillgelegt werden. Die Folge: weniger Benzin und Diesel.

Als sich die Nachfrage nach den Öffnungen schneller erholte als erwartet, konnte das Angebot mit der Nachfrage nicht Schritt halten. Der Preis schoss durch die Decke. Um Raffinerien hochzufahren, müssen sie wieder Personal finden und teures Rohöl am Markt kaufen - das dauert. Aber wer will schon sein Angebot vergrößern, wenn dadurch nur der Preis sinkt?

Was sich der Wirtschaftsminister ansehen könnte, sind die massiven Steigerungen der Gewinnmargen der Mineralölkonzerne, die sich nicht durch gestiegene Gas- und Strompreise erklären lassen. Wie wenig intelligent ein Preisdeckel beim Treibstoff ist, zeigt aktuell Ungarn. Dort haben die Mineralölkonzerne auf den Höchstpreis wie üblich reagiert: Sie haben das Angebot zurückgefahren.

Worauf wir selbst einwirken können, ist, die Nachfrage zu verringern - siehe April 2020. Nicht alle sind aufs Auto angewiesen. Würde die Welt ihren Spritverbrauch auch nur um ein paar Prozent verringern, hätte das schon eine preissenkende Wirkung. Das heißt, jede Fahrt, die man nicht macht, hilft. Ein autofreier Tag, wie 1974 während der Energiekrise, würde noch mehr helfen. Auch klug: keine unnötigen Strecken zu fahren, kleine Autos zu nutzen oder noch besser elektrische Autos. Wobei man dann statt von Öl- von Stromkonzernen gemolken wird, wegen der sprunghaft angestiegenen Nachfrage. Deswegen noch viel besser: gar kein Auto.