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Strategien gegen den Fachkräftemangel

Von Petra Krampl und Stefan Lang

Recht
Die Anzahl der Mangelberufe ist zuletzt stark gestiegen -auch Dachdecker zählen mittlerweile dazu.
© adobe.stock / roboriginal

Wie sich Personallücken in Unternehmen leichter mit ausländischen Fachkräften füllen lassen.


Der Fachkräftemangel hat in manchen Branchen dramatische Ausmaße angenommen. Die Beschäftigung qualifizierter Drittstaatsangehöriger (Nicht EU-/EWR- oder Schweizer Bürgerinnen und Bürger) kann für österreichische Unternehmen ein effektiver Weg sein, den Pool an potenziellen Bewerbern zu erweitern. Da die Rechtsgrundlage komplex ist, gilt es, die Feinheiten des Ausländerbeschäftigungs- und Fremdenrechts zu verstehen und für die eigene Recruiting- und Talent-Strategie zu nutzen. Nicht nur große, international ausgerichtete Unternehmen haben so eine Chance, einfacher neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Auch mittelständische und handwerkliche Betriebe können mit dem richtigen Wissen ausländische Fachkräfte vorübergehend oder langfristig nach Österreich holen und hier rechtskonform beschäftigen.

Beim Gedanken an die Anstellung von Drittstaatsbürgern lassen sich viele österreichische Unternehmen jedoch oft von den bürokratischen Hürden oder den gesetzlichen Erfordernissen abschrecken oder gehen davon aus, dass die Beantragung einer Aufenthalts- und Beschäftigungsgenehmigung für bestimmte berufliche Tätigkeiten ohnehin wenig erfolgversprechend ist. Die in den vergangenen Jahren kontinuierlich niedrige Zahl der erteilten Rot-Weiß-Rot-Karten oder Blauen Karten EU unterstreicht zumindest diese Annahme.

Rechtliche Möglichkeiten voll ausschöpfen

Dass hier viel Potenzial am Arbeitsmarkt liegen gelassen wird, zeigt sich, wenn man sich die Rechtslage im Detail ansieht. Denn der anhaltende, enorme Fachkräftemangel zwang die Bundesregierung in den vergangenen Jahren zu etlichen Maßnahmen, um die Zutrittshürden für ausländische Fachkräfte zu verringern: So wurde etwa die jährliche Liste der Mangelberufe des Arbeitsministeriums auf mittlerweile mehr als 60 Einträge erweitert und erst kürzlich eine neue Gesetzesreform im Ausländerbeschäftigungs- und Aufenthaltsrecht verabschiedet. Wichtige Impulse zur Bekämpfung des Fachkräftemangels werden freilich auch schon vorgelagert auf EU-Ebene gesetzt, wie jüngst etwa die Neufassung der Blaue-Karte-EU-Richtlinie.

Alternativ zur Blauen Karte EU steht qualifizierten drittstaatsangehörigen Fachkräften in Österreich grundsätzlich die Beantragung einer Rot-Weiß-Rot-Karte offen. Beide Titel sind kombinierte Bewilligungen, die zur Niederlassung in Österreich und zur Beschäftigung bei einem bestimmten österreichischen Arbeitgeber berechtigen. Insbesondere die aktuellen gesetzlichen Voraussetzungen für eine Blaue Karte EU, nämlich der Abschluss eines Hochschulstudiums mit dreiähriger Mindestdauer sowie ein Bruttojahresgehalt von derzeit 66.593 Euro, sind dabei oft eine unüberwindbare Hürde.

Lohnender Blick auf die Mangelberufe-Liste

Die Rot-Weiß-Rot-Karte auf der anderen Seite spricht jedoch nicht nur besonders hochqualifizierte Migrantinnen und Migranten (zum Beispiel mit Hochschulabschluss) an, sondern steht etwa auch Fachkräften mit einer Berufsausbildung in einem sogenannten Mangelberuf offen. Die vergangene Jahresstatistik des Innenministeriums zeigt, dass dieser Typ der Rot-Weiß-Rot-Karte sehr gefragt ist und sich, von der Anzahl der Anträge aus betrachtet, gleich hinter der Rot-Weiß-Rot Karte für sonstige Schlüsselkräfte einreiht.

Die Liste der Mangelberufe wird jährlich vom Arbeitsminister durch Verordnung festgelegt. Umfasste diese anfangs nur wenige, vor allem technische Mangelberufe, ist deren Anzahl in den vergangenen Jahren stark gestiegen. So wurde auch eine Reihe nicht-technischer Berufe auf die Liste gesetzt. Aktuell umfasst sie 67 bundesweite und 52 regionale Mangelberufe, darunter Handwerksberufe wie Dachdecker oder KfZ-Mechaniker sowie Berufe wie Arzt, Augenoptiker oder Wirtschaftstreuhänder. Ein Blick auf die Liste der Mangelberufe kann sich daher durchaus lohnen, um einen Arbeits- und Aufenthaltstitel für eine dringend benötigte, qualifizierte Arbeitskraft zu erhalten.

Gesetzesnovelle bringt weitere Erleichterungen

Weitere Erleichterungen für die Zuwanderung über die Rot-Weiß-Rot-Karte oder Blaue Karte EU wird es zudem ab Oktober 2022 geben, wenn die entsprechende Gesetzesnovelle in Kraft tritt.

Durch zum Beispiel die Aufwertung der Englischkenntnisse oder die Herabsetzung der Mindestgehälter erhofft man sich die Rot-Weiß-Rot-Karte noch attraktiver zu machen. Auch die Zulassungsbedingungen der Blauen Karte EU wurden jüngst neu definiert und vereinfacht. So wird in Umsetzung der EU-Richtlinie per Oktober zum Beispiel die Gehaltsgrenze gesenkt und für Schlüsselkräfte im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie die Möglichkeit der Beantragung des Titels ohne entsprechenden Hochschulabschluss unter gewissen Voraussetzungen geschaffen. Für Blaue-Karte-EU-Inhaberinnen und -Inhaber anderer Mitgliedsstaaten wird außerdem die kurzfristige Mobilität in andere EU-Staaten erleichtert, und bestimmte Tätigkeiten in diesem Zusammenhang werden bewilligungsfrei gestellt.

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Informationsoffensive~ Zum Thema gibt es demnächst zwei kostenlose Veranstaltungen:

Networking Breakfast: Strategien gegen den Fachkräftemangel aus Global Mobility- und Immigration-Sicht 12. Oktober, 8.30-10.30 Uhr Ort: DC Tower, 41. Stock https://bit.ly/3APer1k

Online-Webcast: Erleichterter Arbeitsmarktzugang für ausländische Fachkräfte in Österreich inklusive immigrationsrechtlichem Update zur aktuellen Rechtslage 18. Oktober, 9-10 Uhr https://bit.ly/3AUMRzJ