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Der Brexit und die Energiekrise

Von Anton Fischer

Recht
Anton Fischer ist Wirtschaftsanwalt in Österreich mit internationaler Erfahrung und in England & Wales zugelassener UK Solicitor. Neben seiner auf Gesellschafts-, Transaktionsrecht und Brexit spezialisierten Rechtsberatung ist der Gründer von FISCHER FLP Lehrbeauftragter an der University of Birmingham für Internationales Handelsrecht. Mehr Infos zum EU-Recht auf www.flp-legal.com.
© privat

Vom Schutzschirm der EU profitieren die Briten nun nicht mehr.


Die Energiekrise hat auch Großbritannien erfasst. Als Folge der Beendigung der pandemiebedingten Lockdowns sind die Preise aufgrund stark gestiegener Nachfrage in ganz Europa in die Höhe geschnellt. Der Hauptgrund für den drastischen Anstieg liegt aber im Ukraine-Konflikt. Die Energiepreise im Vereinigten Königreich sind jedoch höher als beispielsweise in Frankreich oder Italien. Viele Briten sind von akuter Armut bedroht. Bereits jetzt wird vor einer humanitären Katastrophe gewarnt.

Die Ursachen für die Krise sind vielleicht nicht im Brexit zu finden, Probleme bei der Bewältigung jedoch schon. Zum einen hat das Vereinigte Königreich den EU-Energiebinnenmarkt (IEM) verlassen. Das Land ist jedoch weiterhin stark auf Importe aus der EU angewiesen. Mit dem Austritt aus dem IEM ist die Energieversorgung vor allem bei externen Störungen nicht mehr gewährleistet. Das Handels- und Kooperationsabkommen mit der EU bietet zwar einen Rahmen für Energiebeziehungen. Nicht zuletzt aufgrund der Differenzen über das Nordirland-Protokoll wurden in der Umsetzung des Rahmens bis dato jedoch kaum Fortschritte erzielt.

Für den Stromhandel hatte dies zur Folge, dass die Briten zum kostspieligeren Ankauf und Verkauf von Strom über Unterwasser-Verbindungsleitungen zwischen Großbritannien und Frankreich, den Niederlanden und Belgien und zur Schaffung eigener Elektrizitätsvorschriften übergegangen sind. Ein unterschiedlicher Zugang zur Energiewirtschaft hat wegen des gemeinsamen Strommarktes mit dem EU-Mitglied Irland Konsequenzen für den Status von Nordirland. Erhebliche Unterschiede in den Elektrizitätsvorschriften des Vereinigten Königreichs und der EU werfen schwierige Fragen darüber auf, wessen Vorschriften auf der irischen Insel gelten sollen.

Nicht mehr zur Zusammenarbeit verpflichtet

Der wichtigste Grund liegt jedoch in dem Umstand begründet, dass Großbritannien den Solidaritätsmechanismus der EU im Energiebereich aufgegeben und damit nicht mehr zur Zusammenarbeit im Falle einer Energiekrise verpflichtet ist. Umgekehrt hat das Vereinigte Königreich in Krisenfällen aber auch keinen Anspruch auf EU-Hilfen mehr. Die EU hat in den vergangenen Wochen beispiellose Maßnahmen zur Vorbereitung auf Energieengpässe und Preisspitzen vorgestellt. Basierend auf der am 1. Juli 2022 in Kraft getretenen EU-Gasspeicherverordnung sind sämtliche Mitgliedsstaaten verpflichtet, ihre Gasspeicher anzufüllen oder Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung von Gas mit Nachbarn zu treffen.

Zudem sollen Mitgliedstaaten zur Senkung des Stromverbrauchs verpflichtet werden. Angedacht ist auch die Einführung einer Sondersteuer auf Rekordgewinne im Energiesektor und deren Umverteilung an die Verbraucher.

Die Briten waren demgegenüber nicht zuletzt aufgrund des Führungsstreits der Regierungspartei nach dem Abgang von Premier Boris Johnson und des Ablebens von Königin Elisabeth II weitgehend untätig. Als EU-Mitglied wären die Briten zwar zur Teilnahme am Programm zur Bewältigung der Energiekrise verpflichtet gewesen. Sie hätten jedoch auch vom von der EU gespannten Schutzschirm profitiert.