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Mutter-Kind-Pass: Droht Gratis-Untersuchungen das Aus?

Von Armin Breinl

Gastkommentare
Armin Breinl ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
© privat

Wenn die Politik nicht rasch reagiert, wird der Vertrag von den Ärztekammern Ende März gekündigt.


Vor 40 Jahren habe ich mit meiner Ausbildung zum Arzt begonnen, seit nun 20 Jahren bin ich Kassenarzt und musste so die finanzielle Aushöhlung unseres Gesundheitssystems miterleben. 1974 wurde von der damaligen Gesundheitsministerin Ingrid Leodolter, einer Ärztin, der Mutter-Kind-Pass eingeführt. Eine Erfolgsgeschichte, konnte doch mit diesem Vorsorge- und Kontrollpass die Mütter- und Neugeborenensterblichkeit rasch gesenkt und eine breite Kinderbetreuung für die ersten Lebensjahre implementiert werden. Dies scheint jetzt zu Ende zu gehen.

Seit vielen Jahren ist der Ruf nach einer Tarifanpassung der Mutter-Kind-Pass-Honorare eine dringende Forderung der Frauen- und Kinderärzte, denn seit nunmehr 28 Jahren erfolgte, trotz der Implementierung zusätzlicher Leistungen, keine Valorisierung, und ein Tarif von 18,04 Euro ist in keinem Fall noch kostendeckend. Kein Mensch würde heute für ein Gehalt aus dem Jahr 1994 arbeiten wollen und können. Dies ist der Grund, warum immer mehr Kassenstellen unbesetzt bleiben und die neue Generation der Ärzte verständlicherweise nur noch als Wahlärzte arbeiten wollen. Hier werden für eine Mutter-Kind-Pass-Untersuchung meist zwischen 120 und 150 Euro verrechnet.

Mehrere Bundesländer-Fachgruppen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe haben bereits für eine Kündigung diese Vertrages gestimmt, sollte bis Ende Februar kein für alle im Mutter-Kind-Pass vertretenen Fachgruppen akzeptables Ergebnis erzielt werden. Die Kündigung dieses Mutter-Kind-Pass-Vertrages ist auch abgekoppelt vom Gesamtvertrag bundes- oder landesweit möglich. Ab dann wären die für den Mutter-Kind-Pass notwendigen Untersuchungen der werdenden Mütter und Kinder privat zu bezahlen - was das in der derzeitigen angespannten finanziellen Situation für viele Familien bedeutet, sollte sich auch die Politik überlegen. Um das gute System weiter aufrechtzuerhalten, sind rasche Entscheidungen gefordert. Die Honorierung des Mutter-Kind-Passes erfolgt über den Familien-Lasten-Ausgleichsfond (ist also keine Leistung der Gesundheitskasse). Deshalb sind das Gesundheits- und das Familienministerium für diese Leistungsanpassung zuständig.

Viele Patientinnen und Patienten müssen erleben, wie sich ihre Versorgung zunehmend durch Mangel an Ärzten und Pflegekräften verschlechtert und wie es oft nur noch durch Inanspruchnahme von Privatärzten möglich ist, eine notwendige Untersuchung zeitnahe zu bekommen. Sollte es nicht Aufgabe der Pflichtversicherung sein, den Versicherten ausreichend Kassenärzte zur Verfügung zu stellen, um eine gute Gesundheitsversorgung sicher zu stellen? Dies wird nur durch entsprechende Honorierung und Aufstockung der Kassenstellen möglich sein.

Und: Sollte es nicht Aufgabe der Politik sein, durch entsprechende Gesetze für Anstellung und Arbeitszeit sowie mit wertgerechter Honorierung eine ausreichende Personalreserve in den Krankenhäusern sicherzustellen? Auch die Ärztekammer sollte sich hier entsprechend einbringen und nicht nur Klientelpolitik betreiben.