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Nobelpreisheuchelei

Von Harald Oberhofer

Gastkommentare
Harald Oberhofer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und forscht am Wifo.
© Roman Reiter / WU

Für den Wissenschaftsnachwuchs wird es noch schwieriger werden.


"Es war sehr schön, es hat uns sehr gefreut." So lautet eine gebräuchliche Abwandlung jener Floskel, die Kaiser Franz Joseph verwendet haben soll, wenn er zwar höflich, aber auch unverbindlich antworten wollte. Vor knapp zweieinhalb Wochen hat die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften mit Anton Zeilinger dem wohl berühmtesten lebenden österreichischen Wissenschaftler den Nobelpreis für Physik zuerkannt. Ganz Österreich fand dies schön und hat sich sehr gefreut.

Maßgebliche BundespolitikerInnen nahmen die Verleihung zum Anlass, ein Loblied auf Glanz und Gloria der österreichischen Wissenschaftspolitik und insbesondere auf die Bedeutung der heimischen Universitäten als Hort der exzellenten Grundlagenforschung und der Ausbildung zukünftiger NobelpreisträgerInnen anzustimmen. Pressetaugliche Fotos mit dem Neo-Nobelpreisträger durften dabei nicht fehlen.

Eine Woche später präsentierte Finanzminister Brunner den Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 im Parlament. Das Budget, welches geflissentlich auch gerne die "in Zahlen gegossene Politik" genannt wird, zeigt die tatsächliche Wertschätzung der Grundlagenforschung und der wissenschaftlichen Ausbildung in Österreich.

Der Entwurf sieht für die Universitäten eine Erhöhung des Gesamtbudgets für die laufende Leistungsvereinbarungsperiode (2022 bis 2024) um 500 Millionen Euro vor. In Relation zum bisher verfügbaren Budget von 12,3 Milliarden Euro entspricht dies einer Erhöhung um etwa 4 Prozent. Bei den aktuellen Inflationsraten und den zu erwartenden Kollektivertragsabschlüssen muss man kein ökonomisches Studium absolviert haben, um zu erkennen, dass die Universitäten gravierende reale Budgetkürzungen hinnehmen müssen. Von den noch stärker gestiegenen Energiekosten ganz zu schweigen.

Folglich bezeichnete Uniko-Präsidentin Sabine Seidler den Haushaltsentwurf als "schwarzen Tag für die Wissenschaft in Österreich". Die österreichischen Universitäten geben den überwiegenden Teil ihres Budgets für Personal aus. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen werden sie um einen Personalabbau nicht herumkommen. Der bereits verhängte Aufnahmestopp und die Aussetzung laufender Stellenbesetzungsverfahren an der Universität Wien sind erste Vorboten.

Für den zukünftigen wissenschaftlichen Nachwuchs wird es hierdurch noch schwieriger werden, Stellen an den heimischen Universitäten zu finden. Darunter leidet nicht nur der Ruf und die Reputation der österreichischen Universitäten, sondern mittel- bis langfristig die Qualität der Grundlagenforschung. Für Studierende wird sich dies in einem schlechteren Betreuungsverhältnis und einer verlängerten Studiendauer niederschlagen, mit der Konsequenz beträchtlicher volkswirtschaftlicher Kosten.

Mittlerweile hat Vizekanzler Kogler mögliche Nachverhandlungen zum Unibudget mit dem Verweis darauf, in den Budgetverhandlungen möglicherweise "etwas übersehen zu haben", angekündigt. Diese Einsicht ist zwar positiv zu beurteilen, zeigt aber auch, mit welcher Gleichgültigkeit die Politik den Universitäten gegenübersteht, wenn nicht gerade öffentlichkeitswirksame Fototermine anstehen.

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