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Ein Paradigmenwechsel

Von Marianne Schulze

Gastkommentare
Marianne Schulze ist Expertin für Soziale Nachhaltigkeit bei PwC Österreich. Seit März berät die Juristin mit Menschenrechtsfokus Kunden unter anderem bei der Risikoanalyse ihrer globalen Lieferketten und der damit verbundenen Sorgfaltspflichten. Soeben wurde sie in den Universitätsrat der Paris Lodron Universität Salzburg gewählt.
© Marlene Rahmann

Die EU fordert von Konzernen die Einhaltung der Menschenrechte in ihren globalen Lieferketten. Der Aufwand wird unterschätzt.


Nachhaltigkeit umfasst neben Umweltstandards auch soziale Aspekte, dazu zählen auch Menschenrechte. Die Europäische Union erhöht sukzessive die Verantwortlichkeiten von größeren Betrieben in diesem Bereich. Nachdem zuletzt die Berichtspflichten für Großunternehmen im Nachhaltigkeitsbereich stark ausgeweitet wurden, sieht der Richtlinienentwurf zur "Corporate Sustainability Due Diligence Directive" (CSDD) Präventionsmaßnahmen zu Umweltschutz und Menschenrechten in der Lieferkette vor.

Bei Nichteinhaltung drohen Unternehmen Strafen, die sich je nach Größe der Firma auch am Jahresumsatz orientieren können. Nach dem Beschluss der Richtlinie - wahrscheinlich Anfang des kommenden Jahres - haben die EU-Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, diese in nationales Gesetz umzuwandeln. In Österreich hat dazu Justizministerin Alma Zadic Anfang Oktober zu einem ersten runden Tisch eingeladen.

Änderungen - und auch Abschwächungen - des Richtlinienentwurfs sind freilich möglich. Fest steht aber: Der Paradigmenwechsel setzt sich weiter fort. Unternehmen müssen beim Thema Nachhaltigkeit substanziell mehr beitragen und darüber auch Rechenschaft ablegen. Menschenrechtliche Standards werden innerhalb von Großunternehmen von einem "nice to have"-Thema für die PR-Abteilung zu einem "must have" in allen Unternehmensbereichen, Geschäftsberichte inklusive.

Ein Blick nach Deutschland zeigt, wie ein entsprechendes Gesetz aussehen könnte. Dort gilt nämlich bereits das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Ab dem Jahr 2023 sind deutsche Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Beschäftigten verpflichtet, für die Einhaltung der Menschenrechte entlang ihrer gesamten Lieferkette zu sorgen. Ab dem Jahr 2024 wird diese Regelung dann auf Firmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden ausgeweitet. Konkret müssen sie menschenrechtliche Risiken analysieren, Präventions- und Abhilfemaßnahmen umsetzen und Beschwerdemöglichkeiten einrichten. Darüber hinaus müssen Unternehmen über ihre Aktivitäten berichten - das soll auch die Transparenz fördern.

Unternehmen mit entsprechender Größe beziehungsweise entsprechendem Umsatz müssen sich mit den Vorgaben auseinandersetzen. Jene, die sich bereits mit den "UN Guiding Principles on Business and Human Rights" (Leitprinzipien der UNO für Wirtschaft und Menschenrechte) befasst haben, haben eine gute Grundlage, um ihre Bemühungen weiter auszubauen. Jene mit weniger Erfahrung sollten sich mit den notwendigen Adaptierungen rasch beschäftigen und den Aufwand nicht unterschätzen.

Allem voran ist eine Bewusstseinsbildung quer durch alle Unternehmensebenen wichtig, was denn der als schwammig empfundene Begriff "Menschenrechte" bedeutet. Daher die Frage: Wie viele Menschenrechte haben Sie heute schon in Anspruch genommen? Es sind wahrscheinlich mehr, als Sie denken.