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Österreichs Neutralität ist nur eingeschränkt gegeben

Von Gunther Hauser

Gastkommentare
Gunther Hauser ist Ehrenprofessor der Universität für Weiterbildung in Krems und Autor zahlreicher Publikationen im In- und Ausland zur europäischen und internationalen Sicherheitspolitik.
© Julia Weichselbaum / HBF

Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird seit dem Beitritt zur EU vollinhaltlich unterstützt.


Der österreichische Nationalfeiertag wird seit 1965 am 26. Oktober begangen, dem Tag, an dem 1955 die beschlossene österreichische Neutralität in Kraft getreten ist. Ein verteidigungspolitischer Beistand im Fall eines Angriffes auf die EU nach Artikel 42 (7) EU-Vertrag von Lissabon ist aus Sicht Österreichs nicht ausgeschlossen. In einem derartigen Fall könnte unser Land mit einem durchsetzungsfähigen kleinen Verband militärisch mitwirken. Neutralität wäre hier nicht mehr gegeben. Zudem bleibt Österreich gemäß Neutralitätsgesetz weiterhin verpflichtet, keine Waffen an Kriegsparteien zu liefern. In der Folge sind seitens Österreichs auch keine Truppentransporte durch sein Territorium zur militärischen Unterstützung kriegführender Staaten möglich.

Falls jedoch ein Beschluss der Europäischen Union (EU) erfolgen sollte, würden diese Verbote eines neutralen Staates grundsätzlich nicht mehr gelten.

Gemäß Artikel 23j des Bundesverfassungsgesetzes wirkt Österreich vollinhaltlich an der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP) mit. Mit dieser Verfassungsbestimmung wurde kurz nach dem Beitritt Österreichs in die EU eine Veränderung des Neutralitätsgesetzes dahingehend bewirkt, als mit diesem die Neutralität an sich in der EU derogiert wurde. Dadurch wäre wiederum im Rahmen eines GASP-Beschlusses eine militärische Unterstützungsleistung möglich. Diese scheint im Rahmen des Beschlusses 2022/338 des Rates vom 28. Februar 2022 "über eine Unterstützungsmaßnahme im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität für die Bereitstellung militärischer Ausrüstung und Plattformen, die dazu konzipiert sind, tödliche Gewalt anzuwenden, für die ukrainischen Streitkräfte" auch gegeben. In Artikel 5 heißt es dazu: "Die Mitgliedstaaten erlauben die Durchfuhr militärischer Ausrüstung, einschließlich Begleitpersonals, durch ihr Hoheitsgebiet, einschließlich ihres Luftraumes."

Seitens der EU unterstützen zwar 24 von 27 Mitgliedstaaten - mit Ausnahme Irlands, Maltas und Österreichs - in diesem Beschluss in Artikel 1 Absatz 2, dass "im Rahmen der Unterstützungsmaßnahme die Lieferung militärischer Ausrüstung und Plattformen, die dazu konzipiert sind, tödliche Gewalt anzuwenden, an die ukrainischen Streitkräfte finanziert" wird. Diesen Beschluss unterstützen auch Finnland und Schweden vollinhaltlich - beide Staaten haben sich im heurigen Sommer um eine Aufnahme in die Nato beworben. Österreich hat sich jedoch dazu "konstruktiv enthalten". Mitgliedstaaten müssen in diesem Fall eine förmliche Erklärung über die Gründe für ihre Enthaltung abgeben und sind nicht verpflichtet, den Beschluss selbst durchzuführen. EU-Staaten mit "konstruktiver Enthaltung" akzeptieren jedoch, dass der Beschluss für die gesamte EU grundsätzlich bindend ist.

Was bedeutet dies für Österreichs Neutralität? Mit dem EU-Beitritt am 1. Jänner 1995 hat sich Österreich bereit erklärt, die GASP vollinhaltlich zu unterstützen. Somit ist die Neutralität auch im Fall eines GASP-Beschlusses - wie am 28. Februar 2022 - im internationalen Kontext nur noch äußerst eingeschränkt gegeben.