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(Digital-)Bildung löst Digitalisierung und Klimawandel

Von Clemens Maria Schuster

Gastkommentare
Clemens Maria Schuster ist Start-up-Unternehmer, Berater und Uni-/FH-Lektor. Geboren in Graz. Er wurde 2020 und 2021 in der Schweiz als "Digital Shaper: Infrastructure Building" für seine Plattform Politik.ch beziehungsweise sein Unternehmen PolitAnalytics AG ausgezeichnet. Sein Politik-Daten-Start-up soll auf EU-Ebene eine relevante Rolle spielen.
© Evi Fragolia / evifragolia.com

Allen Beteiligten muss bewusst sein, dass es auf ihre gemeinschaftliche Anstrengung ankommt.


Die EU-Kommission spricht von der "Twin Transition", wonach die grüne Transformation ohne Digitalisierung nicht schaffbar ist. Der Schlüssel, um diese beiden Megatrends zu meistern, lautet Bildung. Lebenslangens Lernen bedarf neuer Fähigkeiten und Fertigkeiten, insbesondere bei Anwendung, Skalierung und Verbreitung neuer Technologien.

Probleme lassen sich selten mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind, doch gerade die übergroßen Herausforderungen aus der "Twin Transition" scheinen davon ausgenommen. Denn Bildung ist eine Ressource, die sich zwar individuell und nur langsam, aber dennoch konstant weiter aufbaut, und anders als fossile Rohstoffe wirkt sie bei Gebrauch zum Besseren. Und bei der Digitalisierung ist deren massive Skalierungsmöglichkeit immer noch viel zu wenig angewendet.

Doch wie kann man diesen substanziellen, tiefgreifenden Themen Gehör verschaffen, sowohl was die politische Annahme und den Umsetzungswillen mittels möglicherweise unpopulärer Regulation betrifft, als auch die Akzeptanz und aktives Mitmachen der betroffenen Bevölkerung? Braucht es dazu neue Narrative und Erzählrahmen (Framing), neue Medien, Vermittlungsinstanzen und vermittelnde Personen und Institutionen?

Beim anerkannten Kommunikationsmodell "Sender, Botschaft, Empfänger" bleibt trotz digitaler Skalierung die Mechanik der Vermittlung gleich. Aber unter digitalen Bedingungen steigern sich Verbreitungsgeschwindigkeit und Reichweite massiv, Botschaften dringend tief in uns Menschen ein, schlicht weil sich alle Messenger direkt auf dem Smartphone in unserer Hand befinden.

Ausbildungspersonen ausbilden

Social-Media-Plattformen sind so groß und zentral, dass sie gleichzeitig die vermittelnde Instanz, also das Medium selbst, wie auch die Botschaft darstellen - obendrauf sind viele dieser Plattformen alternativlos. Gleichzeitig bedingt die Logik der Plattformökonomie, dass jeder Wechsel von einer dominierenden Plattform zur nächsten noch schneller und noch massiver stattfindet. Die Beschleunigung wird daher regelmäßig als größte Hürde wahrgenommen, da neue Plattformen konstant und wiederkehrend mit neuen Besonderheiten erlernt und angewendet werden müssen. Lebenslanges Lernen bedeutet damit fortlaufendes Lernen.

Doch wo liegt der politische Ansatz, wenn etwa Curricula für Lehrpersonen von Gremien erstellt werden, die selbst weder zu den Innovationsführern noch zur Generation gehören, die bereits digital sozialisiert wurde? Dazu müssen fachliche Silos überwunden und Verantwortlichkeiten zusammengeführt werden. Allen Beteiligten muss gleichermaßen bewusst sein, dass es auf ihre gemeinschaftliche Anstrengung ankommt: Lehrkräfte für Kindergarten, Volks-, Mittelschule, Gymnasium beziehungsweise weiterbildende höhere Schulen, Ausbildner in der dualen Lehre und zwingend auch im universitären und Erwachsenenbildungssegment - sie alle müssen als Erste lebenslang fortlaufend lernen, um ihrer Vermittlerrolle gerecht werden zu können.

Die politisch einfache Forderung lautet: Bildet die Ausbildungspersonen aus! Wenn in Krisen wie dem Klimawandel und der sicheren Transition von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern, in einer veränderten Arbeitswelt aufgrund von Digitalisierung oder unter globalen Verschiebungen junge Menschen auf Lehrpersonen treffen, die kompetent Fähigkeiten, Fertigkeiten, Soft Skills vermitteln können, bilden sich resiliente Generationen zum Bestehen eben jener Krisen.

"Digital Literacy" von Kindesbeinen an

Digitale Grundbildung und Medienkompetenz ("Digital Literacy" und "Media Literacy") - im besten Fall spielerisch ab dem Kindergartenalter, allerdings als substanzieller Teil des Curriculums (Deutsch, Mathematik, Englisch, Coding) bereits ab der Volksschule und über die gesamte Schulpflicht hinweg - wird damit automatisch zur Lösung der bekannten und künftigen Krisen und Herausforderungen beitragen.

Ohne Breitbandausbau, digitale Arbeitsmittel, zeitgemäße digitale Geräte und Tools stehen aber die bestausgebildeten Lehrkräfte vor einer nahezu unlösbaren Herausforderung - was bringen iPads in Klassenzimmern, wenn es nur eine Steckdose zum Aufladen und einen Internet-Anschluss mit zu geringer Geschwindigkeit gibt? Selbstverständlich gilt es weiterhin, digitale und analoge Mittel und Methoden zum Nutzen der Auszubildenden smart einzusetzen. Ohne Kompetenzen in den MINT-Fächern wird es nicht klappen, und genauso wie Englisch die Sprache der Globalisierung ist, ist etwa Programmieren das dazugehörige Handwerk.

Digitale Grundbildung löst gleichzeitig eine Vielzahl weiterer Herausforderungen. Männerlastige Technologieberufe verschieben sich automatisch zum breiten Abbild der Gesellschaft, wenn Mädchen im Kindergarten oder in der Volksschule das Arbeiten mit dem Computer als normal vermittelt wird. Wenn Software nicht mehr zu mehr als 90 Prozent von Männern geschrieben wird, sind die Bedürfnisse aller Mitglieder einer Gesellschaft adressiert.

Diversität - ernst gemeinte und angewendete Inklusivität - garantiert langfristig starke Resilienz und damit wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, individuellen Erfolg. Auf diese Weise lassen sich auch Menschen mit Behinderungen oder migrantischen Lebensläufen deutlich einfacher und unkomplizierter integrieren, etwa durch digitale Lehrmittel, die nicht nur sprachangepasst sein können, sondern auch innerhalb einer Alterskohorte auf die unterschiedliche Leistungsentwicklung Rücksicht nehmen.

Eine so aus- und weitergebildete und damit digital durch und durch aktuell entwickelte junge Generation stellt sich ohne Ängste neuen Technologien und verwendet diese nahezu natürlich, seien es immersive Ausbildungsszenarien über Games oder punktuell bis längerfristige politische Formen von Protest und Beteiligung. Diese Generation kann sich dem Klimawandel sowohl im Großen als auch in der Lösung im Kleinen stellen, gerade weil sie durch Bildung neue Kompetenzen erworben hat. Probleme können offensichtlich doch durch dieselbe Denk- und Herangehensweise gelöst werden - gerade weil sich die menschliche Erkenntnis, basierend auf unserer Lernfähigkeit, lebenslang weiterentwickelt.