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Kostenwahrheit statt Klimanaivität

Von David Stadelmann und Marco Frank

Gastkommentare

Die Schäden durch die Erderwärmung müssen den Verursachern angelastet werden.


Die globale Temperatur ist laut Weltklimarat seit der Industriellen Revolution um 1,1 Prozent angestiegen - in Österreich sogar deutlich stärker. Die weltweiten Emissionen wachsen auf hohem Niveau weiter. Warum versagt die Klimapolitik, und was kann getan werden? Klimaschutz wirkt global und langfristig. Was erfreulich klingt, macht Klimaschutz nicht wahrscheinlicher, sondern viel unwahrscheinlicher:

Trittbrettfahrer: Länder, die ihre Emissionen merklich reduzieren, tragen die Kosten. Der Nutzen von Emissionsreduktionen verteilt sich global, sodass vor allem andere profitieren.

Gegenwartsliebe: Emissionsreduktionen führen sofort zu Kosten. Da das Klima träge ist, fällt der Nutzen erst in Zukunft an. Politiker bevorzugen im Regelfall Nutzen heute und Kosten später.

Unsicherheit: Die Kosten für Klimaschutz sind sichtbar und gewiss. Der Nutzen ist nicht sofort sichtbar und ungewiss.

Ungleichheit: Die Schäden des Klimawandels werden ungleich verteilt sein. So dürfte es große und kleine Verlierer, aber auch Gewinner geben. Das erschwert die globale Kooperation.

Klimaschutz ist ein globales öffentliches Gut. Deshalb wäre es klimanaiv anzunehmen, einzelne Länder könnten mit ihrer Klimapolitik viel bewegen. Das Gros der Welt muss beim Klimaschutz mitziehen wollen.

Nun hat sich die Weltgemeinschaft in Großkonferenzen - wie ab Sonntag im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich - wiederholt für Klimaschutz ausgesprochen und sich in Klimaverträgen zu Emissionsreduktionen verpflichtet. Doch Vertragsparteien sind dabei oft Regierungen, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte bestenfalls auf dem Papier würdigen. Sie behandeln ihre Bürger wie Untertanen, internieren ganze Volksgruppen oder führen unentschuldbare Angriffskriege. Zu hoffen, dass eben diese Regierungen Klimaschutz für das Wohl zukünftiger Bürger der Erde betreiben, ist klimanaiv.

Realistischere Klimapolitik setzt auf Kostenwahrheit. Die zu erwartenden Schäden durch die Erderwärmung müssen den Verursachern mittels einer Steuer angelastet werden. Auf viele Klimaregulierungen kann dann verzichtet werden. Das erzielte Steueraufkommen muss über die Senkung besonders wohlfahrtschädigender Steuern zurück an die Bürger - nicht über Kopf-Pauschalen. Österreich hat gewisse Aspekte von Kostenwahrheit umgesetzt und ist damit teilweise ein Vorbild. Kostenwahrheit wirkt, indem sie Anreize zum sparsamen Einsatz und zum Ersatz fossiler Energien setzt. Aber auch sie ist nur dann eine Lösung des Klimaproblems, wenn viele Länder sich der Politik der Kostenwahrheit verschreiben. Dafür besteht eine realistische Chance, weil diese Politik günstig und wirkungsvoll ist.

Zugleich muss die Anpassung an die Erderwärmung und deren Gefahren an Bedeutung gewinnen: Baumaßnahmen reduzieren Sturmschäden, robuste Baumarten erhalten den Wald, Klimaanlagen schützen vor Hitze. Anpassung an den Klimawandel entspricht einer Investition in Resilienz und ist bei der Lage der Welt alles andere als klimanaiv.