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Beziehung und Bindung brauchen Zeit

Von Rosina Baumgartner

Gastkommentare
Rosina Baumgartner ist Generalsekretärin des Katholischen Familienverbandes.
© Katholischer Familienverband

Seit 20 Jahren ermöglicht das Kinderbetreuungsgeld Väterbeteiligung in der Erziehung.


Familie ist nicht einfach gegeben, sondern muss immer wieder neu verhandelt werden. Das ist der zentrale Gedanke von "Doing Family", einem Ansatz aus der Familiensoziologie. Einen Beitrag dazu leistet das Kinderbetreuungsgeld, das vor 20 Jahren als versicherungsunabhängige Familienleistung für alle eingeführt wurde und damals politisch ebenso wie medial polarisierte.

Heute, 20 Jahre später, ist das Kinderbetreuungsgeld eine Selbstverständlichkeit und zählt zu den zentralen Instrumenten, wenn es um Geldleistungen in den ersten drei Lebensjahren geht. Dabei ist Geld nur ein Aspekt. Ein zweiter, ebenso wichtiger Aspekt ist der Faktor Zeit. Das Kinderbetreuungsgeld ermöglicht es den Eltern nämlich, ihre Kinder in den ersten Jahren selber zu betreuen. Dabei ist jede Variante möglich: Die Mutter kann beziehen, der Vater kann beziehen oder der Bezug wird aufgeteilt. Nach Meinung der Entwicklungspsychologin Lieselotte Ahnert ermöglicht das Kinderbetreuungsgeld - insbesondere den Vätern -, Beziehung und Bindung zu ihren Kindern in den ersten Lebensjahren aufzubauen.

Aus Studien und Untersuchungen weiß Ahnert, deren Forschungsgebiet die Entwicklung und Sozialisation des Kindes in der frühen Kindheit ist, dass Väter die gleiche Zuwendungsbereitschaft aufbringen wie Mütter. Nur: Das Zeitbudget, das Väter dafür haben, ist in den meisten Fällen weit geringer und muss deshalb zielführender genutzt werden. Denn viele Väter wollen eine wichtige und aktive Rolle im Leben der Kinder spielen, sich aktiv an der Erziehung beteiligen, aber in ihrem beruflichen Engagement nicht zurückstecken.

Väter sozialisieren ihre Kinder anders als Mütter. Das ist in einem Vortrag, den Ahnert jüngst im Rahmen der Festveranstaltung "20 Jahre Kinderbetreuungsgeld" gehalten hat, deutlich geworden. Mütter erklären, Väter hingegen fragen und fördern damit das aktive Sprechen der Kinder. Mütter versuchen Emotionsausbrüche der Kinder im Vorfeld zu unterbinden, Väter warten auf die kindeigenen Regulationsfähigkeiten, unterstützen und stärken sie. Väter spielen Regelspiele besser und sanktionieren Regelverstöße konsequenter als Mütter. Von Vätern lernen die Kinder zu kämpfen, aber auch Niederlagen zu akzeptieren und Enttäuschungen wegzustecken. In Bezug auf Verhaltensanpassung können Kinder bei Vätern die Grenzen ihres Verhaltens leichter austesten und dürfen mutiger sein; ängstliche und vorsichtige Kinder profitieren davon besonders. Mit dem Vater ist das Spiel vielfach körperbetonter. Dadurch können sich die Kinder richtig austoben und lernen ihre Körperlichkeit kennen.

Trotz eklatanter gesellschaftspolitischer Veränderungen und Diversifizierungen ist die Familie und sind die Eltern nach wie vor die Sozialisierungsinstanz, die den nachhaltigsten Einfluss auf die Entwicklung und Bildung von Kindern hat. Zuwendungsbereite Eltern - Väter wie Mütter - geben jene Sicherheit- und Schutzerfahrungen, die zu stabilen und hohen Bindungswerten führen. Das Kinderbetreuungsgeld leistet einen entscheidenden Beitrag dazu.