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Schrödingers Klimapolitik

Von Harald Oberhofer

Gastkommentare
Harald Oberhofer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und forscht am Wifo.
© Roman Reiter / WU

Österreich gibt jährlich rund 5 Milliarden Euro für (potenziell) klimaschädigende Subventionen aus.


Am heutigen Freitag geht die Weltklimakonferenz COP27 zu Ende. Österreich ist mit dem Versprechen angereist, den eigenen Beitrag zur Kompensation von Klimaschäden in Entwicklungsländern zu erhöhen. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler verspricht, 50 Millionen Euro für die Behebung und Vermeidung von Schäden, die durch den Klimawandel in Entwicklungsländern verursacht werden, bereitzustellen. Die Industriestaaten waren in den letzten Jahrzehnten die maßgeblichen wirtschaftlichen Profiteure von CO2-Emissionen. Um dem Klimawandel effektiv entgegenwirken und weltweit politisch verbindliche Maßnahmen erfolgreich vereinbaren zu können, werden diese Länder den Großteil der Vermeidungs- und Behebungskosten tragen müssen. In diesem Sinne ist jeder zusätzliche finanzielle Beitrag zur Kompensation der Klimawandelfolgen zu begrüßen und kann dazu beitragen, die globale Koordination in der Klimapolitik zu stärken.

Gleichzeitig gibt Österreich jedoch jährlich rund 5 Milliarden Euro - und somit das Hundertfache - für (potenziell) klimaschädigende Subventionen aus. Hierzu zählen etwa die Pendlerpauschale sowie der Pendlereuro, die CO2-Preisbefreiung für Agrardiesel oder die steuerliche Pauschalierung einer privaten Dienstwagennutzung. Rund die Hälfte der klimaschädigenden Subventionen fließt in den Verkehrssektor. Während in allen anderen Bereichen die Emissionen seit 1990 gesenkt werden konnten, verzeichnet der Verkehr eine starke Zunahme. Überraschend kommt das nicht: Durch die Subventionen wird ein Teil der gesamten sozialen Kosten (und damit auch der Klimakosten) des Verkehrs von der öffentlichen Hand übernommen und so die privaten Kosten für klimaschädigendes Verhalten gesenkt. Dies schafft Anreize, sich wenig klimaschonend zu verhalten.

Wenn der Staat nun gleichzeitig für klimawandelinduzierte Schäden finanziell aufkommt, sein Subventionsverhalten aber nicht ändert, handelt er inkonsistent. Zum einen erkennt er zwar die Kosten des Klimawandels an, zum anderen befeuert er aber mit deutlich höheren Summen dessen Voranschreiten. So als wäre der Klimawandel irgendwie gleichzeitig sowohl problematisch als auch irrelevant. Schrödingers Klimapolitik sozusagen. Zugegebenermaßen sind einige der klimaschädigenden Subventionen in der Bevölkerung relativ populär und damit politisch nicht einfach abzuschaffen. Warum private Ansiedlungsentscheidungen dahingehend mit öffentlichen Geldern gefördert werden, dass weite geografische Distanzen ohne öffentliche Verkehrsanbindung zwischen Wohn- und Arbeitsort besonders begünstigt werden, ist aus politökonomischen Gründen zwar nachvollziehbar. Klimapolitisch sind diese Förderungen aber nicht anreizkompatibel.

Eine glaubwürdige Klimapolitik muss den Ausstieg aus klimaschädlichen Subventionen forcieren. Oder, um es in Anlehnung an die Worte des früheren deutschen Bundespräsidenten Walter Scheel allgemeiner zu formulieren: "Es kann nicht die Aufgabe der Politik sein, die öffentliche Meinung abzuklopfen und dann das Populäre zu tun. Aufgabe der Politik ist es, das Richtige zu tun und es populär zu machen."

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