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Wie wir wirklich sind

Von Daniel Witzeling

Gastkommentare
Daniel Witzeling ist Psychologe und Sozialforscher. Er leitet des Humaninstitut Vienna.
© privat

Sag mir, wo das Vertrauen in die Politik ist, wo ist es geblieben?


Unter einer Metaanalyse versteht man ein statistisches Verfahren, das die Resultate von mehreren Untersuchungen zu derselben Fragestellung zusammenfasst. Ähnlich wie bei einer Metaanalyse verhalten sich Menschen bei der Suche nach Wahrheit und anderen diffizilen Prozessen. So gesehen stecken wir und die Gesellschaft als Ganze, ohne es zu merken, in einer metaphorischen Analyse beschriebener Art, bei der jeder sein eigener Metaanalyst ist. Anders als bei der wissenschaftlichen Variante landen hier aber auch Faktoren wie persönliche Erfahrung, politische Gesinnung und Sympathie im Topf der Analysemethoden. Dass dabei ebenfalls eine Einschätzung der Glaub- und Vertrauenswürdigkeit der figurativen Studienquellen vorgenommen wird und diese nicht mehr den den politischen und medialen Proponenten bekannten Regeln folgt, wird für diese zunehmend zum Problem.

Gesamtgesellschaftlich ist dies ein Prozess, der sich mittlerweile ebenso auf etablierte Medien auswirkt, wobei sich das Vertrauen in Medien und Politik wechselseitig beeinflussen dürfte. Der Mensch, ob politisch rechts oder links, ob Wissenschafter oder Experte, steckt voller Defizite. Das nun viel diskutierte Vertrauen in die Politik und folglich ebenso in die Medien schwindet nicht erst seit den mehr oder minder ungustiösen Chats um die einstige Zukunftshoffnung der ÖVP, Sebastian Kurz. Vielmehr sind derartige Phänomene lediglich Symptome einer Krankheit, unter der die Politik und ihr Umfeld schon seit Jahrzehnten leiden. Bei der Wahrheit und der entsprechenden Bewertung verhält es sich jedoch eher wie bei einer Regression zur Mitte. Sie liegt selten in den Extremen.

Der Versuch des Simplifizierens von komplexen Meinungsbildungs- und Denkprozessen auf einfache Fakten wird der Realität nicht gerecht und kann dieser nie gerecht werden. Erkenntnisgewinn lebt vom immerwährenden Spannungsfeld zwischen These und Antithese sowie der daraus abgeleiteten Synthese. Die Verantwortungslosigkeit der Politik hängt ebenso zentral mit der Leitkultur vieler Medien zusammen. Ansätze einer derartigen Kultur behandeln der einstige Liebling der Medien, der Philosoph Richard David Precht, und der Sozialpsychologe Harald Welzer in ihrem vieldiskutierten Werk "Die vierte Gewalt - Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist".

Die Welt in einfache Dichotomien von Gut und Böse sowie Richtig und Falsch einzuteilen, ist so simpel wie banal und geht an der Realität vorbei. Leider herrscht hierzulande eine durch das Schulsystem geförderte wenig optimale Fehlerkultur. Fehler zuzugeben und daraus zu lernen, wird als Schwäche und als vernichtend angesehen, während Typologien, die deren Vertuschung oder Verkauf verstehen, bis in höchste Ämter emporschwimmen.

So wundern wir uns, wo das Vertrauen in die Politik hin verschwunden ist, wenn unser eigenes nur auf einem künstlich eingelernten Konstrukt der Reproduktion von Fakten und nicht auf einem durch objektivierbare Leistung tieferen Selbstvertrauen beruht, das wir oft nur noch im Sport wahrnehmen können.