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Das Gegenteil von gut gemacht ist gut gemeint

Von Stefan Fink

Gastkommentare
Stefan Fink ist Chefökonom beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG Österreich.
© KPMG

Die langfristige Steuerungsstrategie "Krisenmodus" ist nicht nachhaltig.


Der Wirtschaftsausblick Ende des Jahres ist deutlich eingetrübt. Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession ist hoch. Das deutsche BIP dürfte im Gesamtjahr 2023 um 0,4 Prozent (ifo) schrumpfen, in Österreich reicht es noch für plus 0,2 Prozent (Wifo), aber auch hier ist eine technische Rezession (zwei Quartale mit negativem Wirtschaftswachstum) wahrscheinlich. Die Auslöser sind breit gestreut: zweistellige Inflationsraten (im Oktober 11 Prozent), verursacht durch einen vielfältigen angebotsseitigen Schock, gepaart mit steigendem Zinsniveau, hochvolatilen Energie- und Rohstoffpreisen und dem Ukraine-Krieg. Ein Umfeld, das die Wirtschaftspolitik auf den Plan ruft. Unterstützen - wo auch immer nötig und mit allen erforderlichen Mitteln - ist nicht nur das Gebot der Stunde, sondern mittlerweile von Jahren.

Denn so wichtig es auch ist, bei unerwarteten und massiven exogenen Schocks gegenzusteuern, so wenig nachhaltig ist die langfristige Steuerungsstrategie "Krisenmodus". Bremsbereites Fahren ist in manchen Situationen geboten und unerlässlich - ausschließlich bremsbereites Fahren führt jedoch dazu, dass man das Ziel nicht mehr wirklich erreicht. Die Wirtschaftspolitik ist in einer ähnlichen Lage. Der "Kampf gegen die Krise" ist derzeit nur sehr eingeschränkt vereinbar mit der Umsetzung struktureller, also langfristig wirksamer Reformen. Man fährt auf kurze Sicht und setzt um, was "in der Krise hilft".

Blickt man zum nördlichen Nachbarn und der massiven Änderung der Struktur des Sozialsystems mit dem Konzept Bürgergeld, findet man ein Beispiel für das geflügelte Wort: Das Gegenteil von gut gemacht ist gut gemeint. So wichtig ein dichtes soziales Netz ist, so problematisch sind potenzielle Folgeeffekte für den ohnehin schon mehr als angespannten Arbeitsmarkt samt Fach- und Arbeitskräftemangel. Minister Martin Kocher ist hoch anzurechnen, dass er die Notwendigkeit der Reform des Arbeitsmarktes, die im Gegensatz zur deutschen Initiative tatsächlich zukunftsgerichtet ist, erkennt und dafür kämpft. Einer von vielen essenziellen strukturellen Impulsen für den Standort.

Die Liste wäre beliebig verlängerbar: etwa die Verkürzung von Genehmigungsverfahren für nachhaltige Energieprojekte oder ein offensives Umgehen mit aktuellen und künftigen Herausforderungen der Demografie. Diese Probleme sind keine Hypothesen, sondern offensichtlich. Die Lage ist nicht aussichtslos, nur: Die Dinge müssen auch gemacht werden. Es wäre unendlich schade, wenn sich unter anderem der wichtige Teilbereich der Arbeitsmarktreform wieder in Detailproblemen verlöre. Ansonsten wird "das machen wir nach der Krise" eine perspektivisch langfristige Standortkrise an sich.

Trotz der alles andere als rosigen aktuellen Prognosen gibt es auch positive Signale: Der Auftrieb der Erzeugerpreise geht langsam zurück, und der Konsum entwickelt sich trotz schlechter Stimmung und sinkender Realeinkommen nicht so negativ wie befürchtet. Ja, es wird herausfordernd, aber das Risiko einer tiefen Rezession ist gering. Blicken wir also über den Krisenhorizont und treten wir durchaus ein bisschen fester aufs Reformgaspedal. Es wäre schade um das Potenzial der Reformchancen.