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Mit Überzeugung gegen die Wand

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Wenn die Politik glaubt, gegen eherne Gesetzmäßigkeiten handeln zu können, folgt ein Desaster.


Was passiert, wenn Energiepolitik nicht Vernunft und Fakten, sondern Ideologie und Dogmen folgt, war dieser Tage in Deutschland zu beobachten. Obwohl im Norden der Republik der Wind kräftig wehte, musste ein erheblicher Teil der Windräder abgeschaltet werden, weil es keine Leitungskapazitäten in den Süden gab, wo viel Strom nachgefragt wurde, der deshalb von Gaskraftwerken und sogar besonders schmutzigen Braunkohlemeilern bereitgestellt wurde, was sich wiederum recht ungünstig auf den Strompreis auswirkte, der ja bekanntlich indirekt an den Gaspreis gekoppelt ist. Gleichzeitig mussten, der Logik der Energiewende sei Dank, die Windkraftbetreiber im Norden auch für jenen Strom bezahlt werden, den sie nicht liefern durften oder konnten. Es war, als wollte Deutschland beweisen, dass das "Wall Street Journal" recht hatte, das vor einem Jahr der Regierung in Berlin "die dümmste Energiepolitik der Welt" attestierte.

Das ist nicht nur ein Problem für Deutschland, sondern letztlich ganz Europa, wo ja eine hohe gegenseitige Abhängigkeit der Stromnetze herrscht. Auf eine leicht verstörende Art und Weise faszinierend ist an dieser Episode, dass sie beispielhaft aufzeigt, was passiert, wenn die Politik versucht, die Wirklichkeit zu ignorieren, um scheinbare politische Erfolge erzielen zu können. Denn die Wirklichkeit ist: Deutschland hat, wie ganz Europa, zu wenig dichte Stromnetze (deren Ausbau nicht selten Grüne verhindern) und zu wenig Stromspeicher (meist aus physikalischen Gründen), um Energie aus Windkraft und Photovoltaik so speichern und verteilen zu können, dass sie Öl, Gas und Kohle verlässlich ersetzen können. Dazu kommt, dass die politisch gewollte E-Mobilität den Stromverbrauch weiter anheizt. Politisch gewünscht ist aber der Ausstieg aus den bösen fossilen Energieträgern und der Atomenergie, und zwar um jeden Preis. Das kann sich, wie sich immer öfter zeigt, halt nicht ausgehen, weil auch grüne Politik nicht imstande ist, die Gesetze der Physik zu überwinden.

Wir sehen dieses Phänomen nicht nur in der Energiepolitik und nicht nur in Deutschland. Wenn etwa die Europäische Zentralbank unter dem Druck der Politik Geld druckt wie verrückt und damit Inflation erzeugt, oder wenn die staatlichen Pensionssysteme wie besonders in Österreich Leistungen ausschütten, die nicht einmal annähernd nachhaltig sind, so folgt das dem gleichen Muster: der Annahme, man könne (diesfalls ökonomische) Gesetze beugen, ohne dafür einen entsprechenden Preis entrichten zu müssen.

Das ist insofern bemerkenswert, als die Geschichte ja wirklich mehr als genug Beispiele im Repertoire für uns bereithält, die zeigen, was passiert, wenn ideologisches Denken meint, die Fakten ignorieren zu können - das hat noch immer böse geendet. Pragmatismus hingegen, der sich am Machbaren orientiert und nicht an irgendwelchen religiös aufgeladenen Utopien und Visionen, seien es soziale, ökonomische oder auch energiepolitische, führt stets zu besseren Ergebnissen. Es gehört zu den Problemzonen der Demokratie, dass er halt so schwer verkäuflich ist.