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Lebenswerte Regionen brauchen gesunde Böden

Von Gerhard Poschacher

Gastkommentare
Gerhard Poschacher war langjähriger Leiter der agrarpolitischen Abteilung im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft und ist als Publizist tätig.
© privat

Wie wichtig der Humusaufbau ist, ist schon seit Jahrzehnten bekannt.


Die Versorgung mit Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen kann nur in lebenswerten Regionen mit gesunden Böden sichergestellt werden. In Österreich bewirtschafteten im Jahr 1960 rund 389.000 bäuerliche Betriebe eine Kulturfläche von rund 7 Millionen Hektar, davon wurden etwa 4 Millionen Hektar landwirtschaftlich und 3 Millionen Hektar forstwirtschaftlich genutzt.

In den vergangenen sechs Jahrzehnten ist die Forstfläche um 1,3 Millionen Hektar gestiegen, fast 50 Prozent der Staatsfläche (3,41 Millionen Hektar) entfallen in Österreich auf den Wald. Die landwirtschaftliche Nutzfläche hat hingegen um mehr als 48 Prozent auf 2,6 Millionen Hektar abgenommen. In diesem Zeitraum hat sich die Zahl der bäuerlichen Betriebe auf 155.000 vermindert, während sich die durchschnittliche Betriebsgröße auf 23,6 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche mehr als verdoppelt hat.

Seit Jahrzehnten werden Bodenschutz und Humusaufbau diskutiert und entsprechende Maßnahmen für eine nachhaltige und ökologische Landwirtschaft umgesetzt. Das Forstgesetz ist mittlerweile 170 Jahre alt und setzt sich die Pflege der Wälder zur Aufrechterhaltung seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Funktionen zum Ziel.

Bereits im Jahr 1985 veranstaltete das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft ein Bodensymposium, bei dem der damalige Minister Günter Haiden (SPÖ) auf das Bundesverfassungsgesetz mit einem umfassenden Umweltschutz verwies und die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit als vorrangige Herausforderung für ein neues Bodenschutzzeitalter in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte. Als Gastredner erläuterte damals Theodor Dietz von der Bayrischen Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenschutz die Maßnahmen in seinem Land, die vor allem auf den Humusaufbau, die Verminderung von Strukturschäden (Bodenbearbeitung) sowie auf standortgerechten Fruchtfolgen abzielten.

Fortschreitende Bodenversiegelung

Mit dem Manifest für eine ökosoziale Landwirtschaftspolitik leitete Agrarminister Josef Riegler (ÖVP) im Jahr 1987 die Wende für eine neue Agrarpolitik auf den Ackerflächen (vermehrter Anbau von Öl- und Eiweißpflanzen) sowie für vielfältigere Fruchtfolgen ein und entsprach auch den Forderungen der Natur- und Umweltschützer, gezielte Förderungsmaßnahmen für den biologischen Landbau zu entwickeln. Es ist heute ein Erfolgsmodell in Österreich mit 24.000 Betrieben, die 679.000 Hektar bewirtschaften. Sein Nachfolger Franz Fischler (ÖVP) präsentierte schon 1989 eine Bodenstrategie, die eine pflanzengerechte Düngung, die Stärkung der guten fachlichen Praxis sowie die Verminderung von Schadstoffeinträgen im Grün- und Ackerland anstrebte.

Die frühere Bundesministerin für Land- und Forstwirtschaft, Elisabeth Köstinger (ÖVP), vereinbarte mit dem Gemeindebund einen Maßnahmenkatalog mit der Absicht, den täglichen Flächenfraß bis 2030 auf 2,5 Hektar zu beschränken. Von diesem Ziel ist die ländliche Entwicklungspolitik mit der Verantwortung von 2.082 Gemeinden für die Raumordnung und Flächenwidmung aber noch weit entfernt. Aktuell werden immer noch 10 Hektar pro Tag verbaut.

Laut einer von der Hagelversicherung, die seit vielen Jahren mit Studien auf die Dramatik der Bodenversiegelung aufmerksam macht und konkrete Maßnahmen vorschlägt, in Auftrag gegebenen Umfrage zählen zu den größten Umweltproblemen mit 85 Prozent der Klimawandel und mit 82 Prozent die Verbauung der Böden. Was schon beim Symposium 1985 im Mittelpunkt der Beratungen stand, ist auch heute noch aktuell: Bodenfruchtbarkeit mit Humusaufbau, vielfältige Fruchtfolgen und ein geringerer Betriebsmitteleinsatz.

Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) hat aus Anlass des diesjährigen Tages des Bodens am 5. Dezember das Lehrvideo und die Broschüre "Humus in Diskussion" der Öffentlichkeit vorgestellt. Bundesminister Norbert Totschnig (ÖVP) entwickelte die Regionenstrategie "Meine Region - Heimat. Zukunft. Lebensraum.", deren Ziel es ist, mit einer Sammlung innovativer Ideen und guten Projekten aus ganz Österreich eine Initialzündung für die Weiterentwicklung des ländlichen Raumes auszulösen. In dieses Programm ist auch der Gemeindebund eingebunden.

Erfolgreiches Umweltprogramm

Erfreulich sind die neuesten wissenschaftlichen Ergebnisse, wonach in Österreich eine positive Entwicklung des Humusanteils auf heimischen Ackerböden zu verzeichnen ist. Dazu hat vor allem auch das seit dem EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995 umgesetzte Umweltprogramm (ÖPUL) beigetragen. Im Jahr 2021 haben daran 87.400 Betriebe teilgenommen.

Nachhaltige Fruchtfolgen, verminderter Betriebsmitteleinsatz, Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität und zum Schutz des Grundwassers sowie die Zunahme des biologischen Landbaus und bodenschonende Agrartechnik wirken sich positiv auf die Qualität des Grünlandes und der Ackerflächen aus. Böden als oberste Schicht der Erdkruste sind für 90 Prozent der weltweiten Nahrungsmittelproduktion verantwortlich und als CO2-Speicher unverzichtbar.

Zur Sicherung der Lebensmittelversorgung fordert Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, nach Schweizer Vorbild landwirtschaftliche Vorratsflächen auszuweisen - ein Thema, das vor allem in städtischen Ballungsräumen erhebliche Bedeutung hat. Auf dem Land sind im Zuge der mit dem Gemeindebund vereinbarten "Bodenstrategie" ab 2023 auch eine Stärkung und Verdichtung der Ortskerne und die Nutzung vieler Leerräume in den Dörfern zum Schutz wertvoller Agrarflächen notwendig.