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Halbleiterchips: vom Engpass zur Schwemme

Von Dina Ting

Gastkommentare
Dina Ting ist Leiterin des Global Index Portfolio Management bei der Investmentgesellschaft Franklin Templeton, die rund 1,4 Billionen US-Dollar an Vermögen verwaltet.
© Franklin Templeton / Kevin Ng

Südkorea und Taiwan könnten mittelfristig einige Geschäfte von China übernehmen.


US-Präsident Joe Biden hat heimische Produktionsanlagen besichtigt und für die fortschrittliche Chipfertigung geworben, um die beiden wichtigsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen seiner Regierung zu unterstützen: den "Chips and Science Act" und den "Inflation Reduction Act". Beide Gesetze wurden vorigen Sommer unterzeichnet, wobei das erste darauf abzielt, die US-Halbleiterproduktion zu stärken, die im vergangenen Jahr nur noch einen Anteil von 12 Prozent an der weltweiten Kapazität hatte - ein deutlicher Rückgang gegenüber 37 Prozent im Jahr 1990.

Was die Bedeutung betrifft, so bietet die Initiative zur Verringerung der Inflation weitreichende Anreize zur Förderung von Investitionen in saubere und erneuerbare Energiebranchen. Und Halbleiter sind nach Autos und Öl das weltweit am meisten gehandelte Produkt. Weltweit gibt es weniger als 20 Hersteller, die Chips in großem Maßstab produzieren können, wobei Ostasien nach wie vor den größten Teil der entsprechenden Fertigung und Produktionsmontage beherrscht. Die Herstellung von Chips ist mit enormen Eintrittsbarrieren, enormem Kapitalbedarf und technischer Komplexität verbunden, sodass die Branche von einigen wenigen großen Unternehmen in Taiwan, China und Südkorea kontrolliert wird.

Das jährliche Gesamtwachstum der Halbleiterindustrie könnte durchschnittlich 6 bis 8 Prozent pro Jahr betragen und bis zum Ende des Jahrzehnts zu einer 1-Billion-Dollar-Branche führen. Mit der raschen weltweiten Abkehr von fossilen Brennstoffen und der Hinwendung zu erneuerbaren Energien ist die Nachfrage nach Batterien für E-Autos sprunghaft angestiegen. McKinsey prognostiziert, dass der Markt für Batteriezellen bis 2030 im Durchschnitt um mehr als 20 Prozent pro Jahr wachsen wird. Dies verheißt Gutes für Südkoreas petrochemische Schwergewichte, von denen eines stark investiert, um den nachhaltigen Ausbau seiner Produktionslinien für Batteriematerialien zu beschleunigen, einschließlich jüngster Pläne zum Bau einer Fertigungsanlage für E-Autokomponenten im Süden der USA.

Nach der fast beispiellosen Verknappung zu Beginn der Pandemie könnte die Talsohle erreicht sein. Zuletzt hat sich der Engpass bei den Chips in eine Schwemme verwandelt. Im Laufe des Sommers stiegen die Lagerbestände sprunghaft an, sodass einige führende Unternehmen ihre geplanten Investitionsausgaben für das nächste Jahr um bis zu 50 Prozent gekürzt haben. In einer so zyklischen Branche könnte der Kapazitätsabbau von heute zu den Preiserhöhungen von morgen führen. Der Technologiesektor könnte seinen Tiefpunkt bereits erreicht haben, wenn der Halbleiterbestandszyklus nun seinen Höhepunkt erreicht.

Langfristige Umstrukturierungen der Lieferketten könnten den Chips produzierenden Volkswirtschaften zugutekommen. Insbesondere der taiwanesische Halbleiterhersteller TSMC ist in jüngster Zeit in den Fokus gerückt, seit die USA neue Beschränkungen für den Verkauf von fortschrittlichen Halbleitern nach China eingeführt haben. Die immer beliebter werdende "China-plus-eins"-Strategie könnte es Südkorea und Taiwan ermöglichen, mittelfristig einige Geschäfte zu übernehmen.