Zum Hauptinhalt springen

Der Zinswendepunkt lässt auf sich warten

Von Gareth Colesmith

Gastkommentare
Gareth Colesmith ist Head of Global Rates and Macro Research bei Insight Investment.
© Insight Investment

Die Inflation scheint global ihren Zenit erreicht zu haben, dürfte aber weiterhin über den Zielwerten der Zentralbanken verharren.


Aktuell sind die Märkte gefangen zwischen der nach wie vor restriktiven Rhetorik der Zentralbanken und der Wahrnehmung, dass sich die Konjunkturdaten allmählich deutlich abschwächen. Nachdem die Anleger den ersten Bärenmarkt für Anleihen seit einer Generation erleben konnten, suchen viele von ihnen nun verzweifelt nach einem Zeichen für einen "dovish shift", also einer verhaltenen Verschiebung bei den Zentralbanken, die als Katalysator für eine Erholung der Anleihemärkte wirken würde.

In den USA sind die Märkte von der fehlenden Bereitschaft der US-Notenbank Federal Reserve dermaßen überzeugt, eine straffere Geldpolitik beizubehalten, dass sie bereits für das heurige Jahr Zinssenkungen einpreisen. Dies steht im Gegensatz zu den eigenen Prognosen der Fed, wonach die Zinsen erst im Jahr 2024 sinken werden. Unserer Ansicht nach werden die Märkte vermutlich enttäuscht werden.

Obwohl die Inflation kurzfristig ihren Höhepunkt erreicht haben dürfte und sich in den kommenden Monaten rasch abschwächen könnte, ist es unwahrscheinlich, dass sie für einen längeren Zeitraum zum Zielwert der Fed zurückkehren wird. Eine ähnliche Situation ist auch in Europa zu beobachten, denn die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christina Lagarde, hat jüngst gewarnt, dass "eine Rezession allein die Inflation nicht zähmen wird". Auch die Bank of England hat betont, dass Experten aufgrund der Prognosen nach wie vor davon ausgehen, dass die Inflation in Großbritannien in den nächsten drei Jahren über dem Zielwert liegen wird.

Eine Folge der steigenden Zinsanpassungen ist, dass Anleger nun eine realistische Alternative haben - kurz "TIARA" ("There Is A Realistic Alternative") -, um Rendite zu erzielen. Und zwar ohne auf risikoreichere Anlagen zurückgreifen oder Liquidität opfern zu müssen, damit sie zusätzliche Rendite erzielen. Das Akronym "TINA" ("There Is No Alternative"), das eine Umschichtung in risikoreichere Anlagen rechtfertigt, wurde nach der globalen Finanzkrise und dem darauffolgenden Niedrigzinsumfeld geprägt.

Es kann einige Zeit dauern, bis sich die Märkte wieder an eine Welt gewöhnt haben, in der risikoärmere Anlagen sinnvolle Renditen liefern, aber dann sollten die Kapitalströme folgen. Eine allmähliche Umschichtung von risikoreicheren zu risikoärmeren Anlagen dürfte in den kommenden Jahren dazu beitragen, die Verkäufe der Zentralbanken auszugleichen und die längerfristigen Renditen zu verankern.