Beginnen wir mit dem, was wir rund um den Klimawandel verstehen. Der seit Beginn der Industrialisierung vor mehr als 200 Jahren zunehmende Ausstoß von Gasen wie Kohlendioxid und Methan erhöht aufgrund der strahlungsphysikalischen Eigenschaften dieser Gase die in unser Klimasystem einfallende Strahlung in der Größenordnung von wenigen Watt pro Quadratmeter. Das Klimasystem reagiert darauf mit einer zunächst vergleichsweise linearen Antwort der allmählichen Erwärmung, aber noch unter Erhaltung von Abläufen, wie wir sie in den verschiedenen Klimazonen der Erde gewohnt sind.

Manfred Spatzierer ist Chefmeteorologe des Wetterdienstes Ubimet. - © Ubimet
Manfred Spatzierer ist Chefmeteorologe des Wetterdienstes Ubimet. - © Ubimet

Die Entwicklung der vergangenen 20 bis 50 Jahre kann mit den zur Verfügung stehenden Modellen gut erklärt werden, genau deshalb sind die Szenarien, die eben diese Modelle für die nächsten 50 bis 100 Jahre simulieren, vertrauenswürdig. Geht man weg von Mittelwerten und steigt in konkrete tägliche Abfolgen von Wetterlagen in diesen Modellen ein, wird rasch klar, dass wir die Zeit der linearen Antwort des Klimas bereits hinter uns gelassen haben.

Wir sehen schon jetzt Änderungen bislang typischer Sequenzen, die Zunahme charakteristischer Wetterlagen in verschiedenen Jahreszeiten sowie die Abnahme oder das Verschwinden anderer Situationen. Klar ist, dass ab einer weiteren Zunahme der globalen Mitteltemperatur - die man nach wie vor als Gradmesser der Änderung verwenden kann - von 2,5 bis 3 Grad große Teile der inneren Kontinentalflächen unbewohnbar werden, sei es aufgrund von Hitze, Dürre oder wahrscheinlich beidem zusammen.

Australische Klimaforscher haben vor einigen Jahren halb scherzhaft herausgefunden, dass das Klima in J.R.R. Tolkiens Schreckensland Mordor vermutlich jenem des australischen Outbacks in Queensland am nächsten kommt. Wer einmal dort war, versteht, warum in dieser Gegend (fast) niemand lebt. So werden große Landstriche der Subtropen und der Übergangsregionen zum gemäßigten Klima der nördlichen und südlichen Breiten in 70 bis 100 Jahren zur perfekten Kopie Mordors of Erden, der dann nur noch der Feuerberg und das Schwarze Tor fehlen.

Das wissen wir, und eigentlich wissen wir das seit den späten 1970er Jahren. Was wir - oder besser gesagt unsere Entscheidungsträger - seitdem ignorieren, ist, dass in diesen zukünftig unbewohnbaren Gebieten bereits jetzt Milliarden Menschen leben, die sich schon vorher auf die Suche nach Orten machen werden, an denen man noch überleben kann. Vielleicht können wir den Bemühungen der Forschung und Entwicklung der Raumfahrt einen Sinn auf Erden geben, indem wir nicht die Möglichkeiten der Kolonisierung von Mond und Mars, sondern die zukünftigen Mordors dieser Welt eruieren.

Stellvertretend scheint es den Spitzen der EU-Politik nicht klar zu sein, welche monströse Herausforderung nun Form annimmt. Oder es ist klar, aber man reagiert in Manier des Straußes. So oder so erscheint dem denkenden Menschen die Diskussion um Grenzinfrastruktur an der Außengrenze der EU als blanker Zynismus im Verhältnis zu dem, was die historische und aktuelle Ignoranz den uns nachfolgenden Generationen hinterlassen wird.