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Strom wird erst in eineinhalb Jahren wieder billiger

Von Karl Freidl

Gastkommentare
Karl Freidl leitet das Private Banking der Steiermärkischen Sparkasse in Graz.
© Margit Kundigraber

Die Versorger kaufen langfristig ein. Die Gaspreise werden nicht mehr auf Vorkriegsniveau sinken.


Die steigenden Energiepreise, und zwar durchgängig bei allen Produkten, sind mitverantwortlich für die hohe Inflation in Österreich. Die ursprünglichen Auslöser für den generellen Preisauftrieb waren jedoch schon früher zu beobachten, insbesondere die Produktionsverknappungen und Lieferkettenschwierigkeiten während der Corona-Pandemie und nach deren Abflauen. Die aktuell wieder sinkenden Strompreise werden sich erst in rund eineinhalb Jahren beim Endkonsumenten bemerkbar machen, da die Energieversorger sich längerfristig, teils bis zu zwei Jahre im Voraus, eindecken, wie Karl Rose, Universitätspofessor, Aufsichtsratsvorsitzender der Energie Steiermark und Aufsichtsratsmitglied der OMV, jüngst bei einem Expertengespräch, das die Steiermärkische Sparkasse in Graz veranstaltete, erläutert hat.

Eine der zentralen Fragen ist in diesem Kontext, warum das vielfach hinterfragte Merit-Order-System zur Preisfindung an den Strommärkten immer noch angewendet wird. Dieses besteht aus bilateralen Abkommen zwischen 27 Strombörsen und zieht das jeweils am teuersten produzierende Kraftwerk zur Preisbildung heran. Das sind derzeit in der Regel jene Kraftwerke, die Strom aus Gas produzieren. Das grundsätzlich über Jahrzehnte funktionierende Preisfindungssystem ist im Vorjahr an seine Grenzen gestoßen: Der russische Einmarsch in der Ukraine und die damit verbundenen Probleme bei den Gaslieferungen, das Abschalten französischer AKW aus Wartungsgründen und der geplante Ausstieg aus Kohle- und Atomstrom in Deutschlands haben die Gaspreise und damit den über die Merit-Order gekoppelten Strompreis explodieren lassen.

Gaspreise verdoppelt bis verdreifacht

Die Gaspreise werden voraussichtlich auch nach einem Ende des Angriffskrieges auf die Ukraine zwei- bis dreimal so hoch bleiben wie vor Kriegsbeginn. Wann eine Partnerschaft mit dem wichtigen Gaslieferanten Russland wieder möglich sein wird, ist schwer einzuschätzen. Rose etwa spricht hier von einem Zeithorizont von mindestens 15 Jahren. Aus jetziger Sicht sollte dann allerdings die Umrüstung auf erneuerbare Energie schon so weit fortgeschritten sein, dass das russische Gas bereits substituiert ist. Allerdings werden zuvor die Auswirkungen auf die europäischen Betriebe massiv sein, denn rund 20 Prozent drohen auf der Strecke zu bleiben. Die anderen 80 Prozent sollten gute Chancen haben, weil sie Innovationen und die Umstellung der Produktionsprozesse vorantreiben. Mittelfristig wird es der EU gelingen, russisches Gas zu substituieren. Auch die Energiepreise werden schon bald wieder zurückgehen, wenngleich eine ungünstige Wettersituation im nächsten Winter wieder für Spannung sorgen kann. Vor solchen Problemen und Preisausschlägen wie im vergangenen Jahr werden wir aber nicht mehr stehen.

Der Kampf gegen die Klimaerwärmung wird viel Geld kosten und daher Verlust an Vermögen bedeuten, doch der Wandel ist zu schaffen. Roses Prognose: Eine völlige Unabhängigkeit von fossiler Energie sei aus derzeitigen Annahmen und Parametern bis zum Jahr 2090 zu schaffen. Die Zukunft gehört den E-Autos und auch elektrisch betriebenen Flugzeugen. Mit Wasserstoff werden irgendwann eher schwere Fahrzeuge, aber nicht Pkw angetrieben werden.

Mit direkten Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der EU aufgrund der hohen Energiepreise ist der Weg zu den Finanzmärkten nicht mehr weit. Immerhin zeigt die Richtung der Inflation seit einigen Wochen nach unten, allerdings bei immer noch steigenden Leitzinsen, da die wichtigen Notenbanken die Bekämpfung der Teuerung nun sehr ernst nehmen. Weil die Kapitalmärkte zukünftige Entwicklungen meist schon vorwegnehmen, sollte man nicht zu lange mit Investitionen in Anleihen zuwarten. Um längerfristig die Chance zu haben, den Kaufkraftverlust zu kompensieren, sollte man auch auf eine gesunde Beimischung von Aktien im Depot setzen.