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Mit Anreizen arbeiten

Von Dénes Kucsera

Gastkommentare
Dénes Kucsera ist Ökonom bei der Agenda Austria. Seine Forschungsschwerpunkte sind Pensionen, Steuern und Arbeitsmarkt.
© Markus Rössle

Der Personalmangel schadet der Wirtschaft und kostet den Staat wichtige Einzahler in das Sozialsystem. Die Politik schaut tatenlos zu.


Noch nie gab es in Österreich so viele offene Stellen wie im vergangenen Jahr. Im Schnitt waren 200.000 Arbeitsplätze verfügbar, um 40 Prozent mehr als im Jahr davor. Noch 2019 konnte jeder fünfte ausgeschriebene Job innerhalb eines Monates besetzt werden, im Vorjahr gelang das nur bei jedem zehnten. Nach Jahren mit hoher Arbeitslosigkeit mag sich die veränderte Situation nach einem Luxusproblem anhören. Und wer jetzt einen Job sucht, ist tatsächlich in einer angenehmen Ausgangslage.

Doch die Wirtschaft gerät zunehmend unter Druck: Vor der Pandemie waren nur zwei von zehn Unternehmen in der EU wegen Mitarbeitermangels in ihrer Produktion beeinträchtigt, heute sind es bereits drei von zehn. Österreich ist im Dienstleistungssektor etwas stärker betroffen als der EU-Durchschnitt. Der Pensionsantritt der Baby-Boomer-Generation wird das Problem noch verschärfen.

Einige Ursachen für den Mangel sind seit langem bekannt: Seit Jahren passen etwa das Angebot und die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nicht zusammen. So gibt es viele Arbeitslose im Osten und viel Beschäftigungspotenzial im Westen. Auch die Fähigkeiten der Arbeitssuchenden sind oftmals nicht ausreichend, um die bestehende Belegschaft zu entlasten.

Es gilt jetzt, die vorhandenen Potenziale auf dem Arbeitsmarkt besser zu nutzen und Beschäftigungsanreize zu setzen. So wäre zum Beispiel viel gewonnen, wenn sich die Mobilität der Arbeitssuchenden erhöhen ließe - wenn also mehr Menschen bereit wären, für den Job in ein anderes Bundesland zu pendeln oder zu übersiedeln. Die Politik könnte diese Bereitschaft durch finanzielle Übersiedelungshilfen oder den temporären Verzicht auf Lohnsteuern fördern.

Nicht so populär, aber als Stellschrauben für die Politik ebenso wichtig sind auch Änderungen bei den Zumutbarkeitsbestimmungen. Derzeit gilt ein Job nur dann als zumutbar, wenn die Entlohnung zumindest 80 Prozent (für die ersten 120 Tage des Arbeitslosengeldbezugs) beziehungsweise 75 Prozent (bei Arbeitslosigkeit darüber hinaus) des Einkommens am vorherigen Arbeitsplatz beträgt. Gerade weil Langzeitarbeitslose schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, sollte diese Grenze wie in Deutschland ab einer Arbeitslosigkeit von zwölf Monaten auf die Höhe des Arbeitslosengeldes gesenkt werden.

Viel Potenzial wird auch in der Teilzeitbeschäftigung liegen gelassen. Zu den Hauptursachen, warum vor allem viele Österreicherinnen und Österreicher in Teilzeit arbeiten, gehören Fehler im Abgaben- und Sozialsystems. Um Vollzeitarbeit wieder attraktiver zu machen, gäbe es unterschiedliche Möglichkeiten: Der Staat könnte zum Beispiel die Steuerbelastung für mittlere Einkommen senken, damit zusätzliche Arbeitsstunden auch mehr Netto auf dem Konto bringen. Möglich wäre auch ein Sonderabsetzbetrag für Vollzeitbeschäftigte. Einfach auf bessere Zeiten zu warten, ist jedenfalls keine Option. Wenn jetzt nichts geschieht, wird das Problem nur immer größer.