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Ein Plädoyer für Teilzeit

Von Heinz Högelsberger

Gastkommentare
Heinz Högelsberger hat an einer Studie der Universität Wien über die Mobilitätswende mitgearbeitet.
© privat

30 Stunden werden von vielen als ideale Arbeitszeit gesehen.


Ja, ich gebe es zu: Ich arbeite sehr gerne in Teilzeit und habe nicht die Absicht, dies zu ändern. Seit der Zeit der Kinderkarenzen arbeiten meine Partnerin und ich jeweils 30 Stunden pro Woche. Es hat uns ein entspanntes Leben ermöglicht, in dem wir Kinderbetreuung und Haushaltsarbeiten gerecht aufteilen konnten. Inzwischen ist unser Nachwuchs erwachsen, aber das Bedürfnis nach frei verfügbarer Zeit ist gleich geblieben.

Lange war Teilzeit allgemein gerne gesehen: Die Unternehmen hatten flexible Arbeitskräfte, bei denen Mehrarbeit nicht gleich zu Überstundenzahlungen führte. Die Verwaltung musste sich beim Ausbau von Kindergärten nicht so ins Zeug legen. Und die Politik konnte damit hohe Arbeitslosenzahlen abpuffern. Doch nun hat sich der Wind gedreht, und Arbeitskräfte werden knapp. Also sollen die "faulen" Teilzeitkräfte in die Vollzeit gedrängt werden. Plötzlich sorgt sich das neoliberale Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria um die Finanzierung des Sozialstaates. Vermutlich fürchtet die dahinterstehende Industriellenvereinigung, dass man sich sonst Gedanken über eine alternative Absicherung unserer Sozialleistungen machen könnte; zum Beispiel durch die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe (Maschinen- oder Robotersteuer), einer Erbschafts- oder einer Vermögenssteuer.

So unterschiedlich wie die Menschen, sind auch deren Motive, in Teilzeit zu arbeiten. Sie sind alle wohlbekannt: Die berühmte Life-Work-Balance spielt ebenso eine Rolle wie die zunehmende Arbeitsverdichtung, die nur durch eine Stundenreduktion auszuhalten ist. Viele Frauen sind mit Männern verheiratet, deren Rollenverständnis im 19. Jahrhundert hängen geblieben ist. Kinder- oder Altenbetreuung sowie Haushalt sind dann nur mit Teilzeitarbeit zu stemmen. Oft werden auch nur Teilzeitjobs angeboten. Viele Junge möchten nicht so wie ihre Eltern enden und setzen deshalb auf mehr Freizeit. Häufig schlägt auch eine gewisse Resignation durch: Wenn der Bausparertraum vom Eigenheim im Grünen ohnehin als unfinanzierbar zerplatzt, wozu sich dann reintigern? Zumal der Soziologe Jörg Flecker neulich in der "Wiener Zeitung" den Schlüsselsatz formuliert hat: "Weniger zu arbeiten, weniger zu konsumieren, ist angesichts der Klimakrise und der sozialökologischen Transformation ja etwas, das wir von den Menschen wollen." Und die Menschen wollen es auch. Bei Umfragen nach der idealen Arbeitszeit pendeln sich die Antworten - sowohl der Vollzeit- als auch der Halbtagskräfte - im Bereich von rund 30 Stunden ein.

Die letzte gesetzliche Arbeitszeitverkürzung - also die Einführung der 40-Stunden-Woche - fand im Jahr 1975 (!) statt. Seither sind die Produktivität und der Stress enorm gestiegen, die Lohnquote aber ist stark gesunken. Die Lohnquote stellt den Anteil der Löhne am gesamtwirtschaftlich erzielten Einkommen dar. Sie ist seit 1978 innerhalb von vier Jahrzehnten von 77,2 Prozent auf 68,4 Prozent abgesackt. Dementsprechend stark - nämlich spiegelbildlich - sind die Unternehmensgewinne gestiegen. Für eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich ist also - zumindest bei den unteren und mittleren Gehältern - reichlich Geld vorhanden. Von einem 30-Stunden-Job sollte man schließlich gut leben können.