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Die EU geht Greenwashing an die Wäsche

Von Martina Grama und Mark Nemeth

Gastkommentare
Martina Grama </b>ist Rechtsanwältin und UWG-Expertin bei Baker McKenzie.
© privat

Die wichtigsten Inhalte der neuen Richtlinie.


Die EU dreht wieder einmal an der Umweltschraube und bereitet einen Gesetzesentwurf über umweltbezogene Produktangaben vor. Die geplante Richtlinie der EU-Kommission fügt sich in einen globalen Trend gesetzgeberischer Maßnahmen gegen sogenanntes Greenwashing ein. Wir konnten bereits einen ersten Blick in den Entwurf für die Richtlinie werfen. Hier das Wichtigste in einem kurzen Überblick.

Deklariertes Ziel der Richtlinie ist es, Verbraucher vor irreführender Werbung zu schützen und den grünen Wandel zu begleiten. Die Verwendung von Begriffen wie "klimaneutral", "kohlenstoffneutral", "Sustainability" oder "100 Prozent CO2-kompensiert" haben sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Merchandising-Tool entwickelt. Damit reagiert die Wirtschaft darauf, dass die Konsumenten zunehmend ökologische Erwägungen in ihre Kaufentscheidungen einfließen lassen. Umweltbezogene Angaben bringen den Werbetreibenden potenziell einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil.

Umweltbezogene Produktangaben

Vielfach wird aber kritisiert, dass derartige Angaben falsch oder irreführend sind. Nicht ganz zu Unrecht, hat eine im Auftrag der EU-Kommission durchgeführte Studie doch ergeben, dass mehr als die Hälfte der umweltbezogenen Produktangaben vage oder irreführend sind oder auf unbelegten Behauptungen beruhen. Die neue Richtlinie soll nun sicherstellen, dass Werbetreibende nicht durch unsubstantiierte umweltbezogene Angaben einen Wettbewerbsvorteil erlangen, und so dem Greenwashing einen Riegel vorschieben.

Um der EU-Richtlinie zu entspreche, müssen umweltbezogene Produktangaben vor allem auf einer wissenschaftlich fundierten Methodik beruhen, die belegt werden kann. Unter anderem mus damit überprüft werden können, ob das Produkt oder der Unternehmer hinsichtlich der Umweltauswirkungen, die Gegenstand der Angabe sind, deutlich besser abschneidet als die für solche Produkte oder Unternehmer übliche Praxis. Außerdem muss überprüfbar sein, ob das Erzielen positiver Umweltauswirkungen zu einer Zunahme anderer negativer Umweltauswirkungen führt. Die Methodik muss für jeden Dritten zugänglich sein und regelmäßig von einer unabhängigen Stelle kontrolliert werden, um dem technischen und wissenschaftlichen Fortschritt Rechnung zu tragen. Auch an Umweltsiegel stellt die geplante Richtlinie strenge(re) Anforderungen, insbesondere müssen diese ebenfalls durch eine wissenschaftliche Methodik belegt werden.

Wie die Verfahren zur Überprüfung der Richtlinienkonformität konkret ablaufen und ausgestaltet sein sollen, wird im Richtlinienentwurf nicht geregelt - dies soll auf Ebene der Mitgliedstaaten passieren. Auch die Sanktionsmechanismen sollen von den Mitgliedstaaten festgelegt werden. Sie müssen jedenfalls dem Entwurf zufolge wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Bedenkt man die Trends der vergangenen zehn Jahre im europarechtlich bestimmten Compliance-Bereich, muss man davon ausgehen, dass auch hier empfindliche Strafen zu erwarten sind.

Bestrebungen der EU-Kommission zur Bekämpfung von Greenwashing sind keine Neuigkeit. Im Gegenteil: Im Zusammenhang mit dem 2019 beschlossenen "Green Deal" hat die EU-Kommission eine Aktualisierung der Verbraucherschutzrechte in Angriff genommen und bereits im März 2022 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen vorgelegt.

Informationspflichten gegenüber Verbrauchern

Diese Richtlinie zielt darauf ab, die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken sowie die Verbraucherrichtlinie 2011/83/EU zu ändern. Die darin anvisierten Gesetzesänderungen bezwecken die Verhinderung von Greenwashing, Praktiken der frühzeitigen Obsoleszenz und der Verwendung unzuverlässiger und nicht transparenter Nachhaltigkeitssiegel. Informationspflichten gegenüber Verbrauchern sowie eine Konkretisierung des Verbots irreführender Angaben hinsichtlich der ökologischen und sozialen Auswirkungen, Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten stehen im Vordergrund. Auch die schwarze Liste der per se unzulässigen Geschäftspraktiken soll ergänzt werden.

Während über den älteren Richtlinienentwurf bereits der Rat der Europäischen Union berät, ist das jüngste Gesetzesvorhaben über umweltbezogene Produktangaben noch nicht offiziell veröffentlicht worden. Verbraucherschützer und Umweltaktivisten jubilieren aber schon jetzt über den im Vorfeld geleakten jüngsten Vorstoß der EU-Kommission.

Zusätzliche Hürde für Unternehmen

Für Unternehmen bedeutet eine derartige Richtlinie - so sie in der aktuell vorliegenden Form verabschiedet wird - eine zusätzliche Hürde für ein Reüssieren am Markt in einem ohnedies bereits sehr komplexen System von Compliance-Vorschriften im ESG-Bereich (Environment, Social, Governance) bedeuten, die wohl einen erheblichen Einfluss auf die Werbe- und Geschäftsstrategie von Unternehmen haben wird: Die Etablierung der vorausgesetzten Standards und Methoden wird mit entsprechend hohem Aufwand verbunden sein.

Nach Wunsch der EU-Kommission sollen umgekehrt bei Nichteinhaltung "drakonische Strafen" verhängt werden. Aus unternehmerischer Sicht ist freilich zu befürchten, dass sich diese Tendenz der gesetzlichen Regulierung und Kontrolle im ESG-Bereich in den kommenden Jahren vermutlich noch verstärken wird.

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