Die aktuell angelobte niederösterreichische Landesregierung hat allerorts – je nach politischem Standpunkt – heftige Reaktionen ausgelöst, die von Verwunderung bis Entsetzen reichen. Schließlich klangen die fünf Bedingungen (zum Beispiel Ausbau der Kinderbetreuung und der Öffis), welche die SPÖ für ein Regierungsübereinkommen gestellt hatte, durchwegs grundvernünftig. Wieso diese den Wirtschaftsstandort Niederösterreich gefährden würden, wird wohl für immer ein Geheimnis von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner bleiben. Es möge die Psychologie klären, ob hier die narzisstische Kränkung über den Verlust der absoluten Mehrheit eine entscheidende Rolle gespielt hat. Dass Sven Hergovich als erfolgreicher und innovativer AMS-Direktor nicht das Arbeitsresort bekommt, passt in das Gesamtbild. Ganz offensichtlich geht es nicht um ein Kabinett der besten Köpfe, sondern um pure Machtmaximierung. Maximiert wird damit aber auch die Politikverdrossenheit.

Heinz Högelsberger hat an einer Studie der Universität Wien über die Mobilitätswende mitgearbeitet. 
- © privat

Heinz Högelsberger hat an einer Studie der Universität Wien über die Mobilitätswende mitgearbeitet.

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Richtiggehend hilflos wirkt jedoch die vorgestellte Verkehrspolitik. Sie wird den Anforderungen der heutigen Zeit nicht gerecht, sondern versucht krampfhaft, den Status quo aufrechtzuerhalten. Es wird nicht einmal so getan, als würde man die längst fällige Mobilitätswende angehen wollen. Damit bleibt Niederösterreichs Bevölkerung in einem Verkehrssystem gefangen, das durch seine hohe Autoabhängigkeit extrem klimaschädlich, ineffizient und kostspielig ist. Im Bundesland wurde in den vergangenen Jahrzehnten auf mehr als 800 Kilometern Schienenstrecken der Personenverkehr eingestellt. Als Folge davon gehört Niederösterreich – gemeinsam mit Kärnten und dem Burgenland - zu den drei Bundesländern mit dem schlechtesten Angebot an öffentlichem Verkehr.

Die Landesregierung macht aus diesem Versagen eine Tugend und gibt ein "klares Bekenntnis zum Individualverkehr" ab. Damit dieser ungestört rollt, werden sogar die "Klimakleber", gegen die man entschlossen vorgehen will, im Regierungsübereinkommen erwähnt. Nicht der Klimawandel ist also das Problem, sondern jene Menschen, die darauf aufmerksam machen! Man pocht auch auf den Bau zahlreicher Autobahnen, was allerdings nicht in die Kompetenz des Landes fällt. In dieselbe Richtung geht auch die Forderung nach einer zweiten Schnellbahnachse durch ein benachbartes Bundesland; nämlich durch Wien. Andererseits kommt die lange diskutierte und geplante Verlängerung der Wiener Straßenbahn über Simmering hinaus nach Schwechat im Übereinkommen nicht vor.

Fazit: Dort, wo Niederösterreich es in der Hand hätte, den Pendlerverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, hält sich das Land nobel zurück. Kostspielige Forderungen sollen gefälligst die anderen erfüllen. Völlig skurril wirkt dann das Bekenntnis zum Verbrennungsmotor: Man kann sich lebhaft vorstellen, wie wenig diese Positionierung die chinesische Wirtschaftspolitik beeindrucken wird. Ganz offensichtlich ist jedenfalls, dass ist hier eine Koalition der Zukunftsverweigerer am Werk ist.