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Warum wir unabhängige Zentralbanken brauchen

Von Kyrylo Shevchenko

Gastkommentare

Die geldpolitischen Maßnahmen wirken sich positiv auf die Inflation aus.


Die Inflationsbekämpfung ist nach wie vor das Hauptziel der wichtigsten Finanzaufsichtsbehörden in der ganzen Welt. Ich bin davon überzeugt, dass sie heuer eine Priorität sein wird. Dies bestätigen auch die neuesten Entscheidungen der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank (EZB), die ihre Leitzinsen im März weiter angehoben haben: die Fed um 0,25 Prozentpunkte auf 4,75 bis 5,0 Prozent, die EZB um 0,5 Prozentpunkte auf 3 bis 3,75 Prozent.

Die Erhöhung der Leitzinsen ist ein erwarteter und vorhersehbarer Schritt. Selbst vor dem Hintergrund der Äußerungen seiner Gegner, die mit einem Bankenkollaps drohen. Warum? Erstens kann ein Bankenkollaps vermieden werden, wenn die Banken ihre Strategien richtig umstrukturieren. Zudem werden sie von den Regulierungsbehörden mit Liquidität unterstützt und können dadurch vorübergehende Einlagenabflüsse abdecken. Und nach einer angemessenen Anhebung der Zinssätze werden sie in der Lage sein, ihre Passiva wiederherzustellen. Zweitens können die Regulierungsbehörden das Inflationsziel nicht aufgeben. Das ist ihre "heilige Pflicht", weil sich die Weltwirtschaft, die in den vergangenen Jahren schwierige Zeiten durchlebt hat, ohne Regulierung nicht erholen kann.

Der ukrainische Finanzmarkt befand sich in einer ähnlichen Situation, als die Zentralbank gezwungen war, den Leitzins im Juni 2022 nach dem Einmarsch Russlands von 10 auf 25 Prozent zu erhöhen. Auch für unsere Banken war es nicht einfach, den Trend umzukehren und eine schrittweise Erhöhung der Zinssätze für Einleger einzuleiten. Vielleicht war es sogar noch schwieriger als für ihre westlichen Kollegen, denn wir haben keine Abflüsse von Konten erlebt, und die Kreditvergabe hat sich aufgrund des Krieges verlangsamt, sodass kein dringender Bedarf an Mitteln bestand. Dennoch haben wir die Einlagenzinsen in der Ukraine erhöht. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen, aber es zeigen sich bereits positive Veränderungen.

Wachsende Unabhängigkeit der Finanzaufsichtsbehörden

Für die USA und die EU wird das Inflationsziel von 2 Prozent weiterhin eine Priorität und für die Zentralbanken ein Ziel bleiben. Das Erreichen dieses Ziels wird eine weitere Bestätigung für die wachsende Unabhängigkeit der Finanzaufsichtsbehörden sein, die unter schwierigen Umständen manövrieren und die Volkswirtschaften stabilisieren müssen. Zunächst im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und dann angesichts der Verschlechterung des Energie- und Agrarsektors nach dem Ausbruch eines großangelegten Krieges in der Ukraine.

Die Situation in Österreich dient als Beispiel dafür. Während die durchschnittliche Inflationsrate in der EU bei 8,5 Prozent liegt, beträgt sie in Österreich 11 Prozent, was für die Regulierungsbehörde eine große Herausforderung darstellt. Der Anstieg der Energie- und Dienstleistungspreise sowie die Verteuerung von Lebensmitteln hatten die größten Auswirkungen. Der Preisbeitrag von Energie und Nahrungsmitteln zur österreichischen Inflation erreichte im Vorjahr 5 Prozent und wird laut offiziellen Prognose der OeNB heuer auf 5,6 Prozent steigen. Aufgrund der steigenden Inflation sanken die Realeinkommen der österreichischen Haushalte im vergangenen Jahr um weitere 3,1 Prozent. Für heuer wird jedoch ein Lohnzuwachs von 7,2 Prozent prognostiziert, der dies zumindest teilweise ausgleichen wird.

Keine größeren Energiepreisspitzen

Und es liegt auf der Hand, dass die OeNB die aktuelle Situation kennt und objektiv analysiert. Eine kompetente Inflationssteuerung hilft, Ungleichgewichte in der Wirtschaft zu korrigieren. Und das Beispiel Österreichs ist hier anschaulich und nützlich. Trotz fiskalischer Stützungsmaßnahmen ist es dem Land gelungen, sein Haushaltsdefizit unter 3 Prozent des BIP zu senken und die Voraussetzungen für ein reales BIP-Wachstum von 0,6 Prozent im heurigen Jahr zu schaffen, während für das benachbarte Deutschland heuer ein Rückgang um 0,5 Prozent erwartet wird.

Wenn die OeNB das im Februar vorgegebene Tempo beibehält, wird sie ihre Inflationsprognose von 6,9 Prozent bis Jahresende erreichen können. Wichtig wird sein, dass es während der Heizperiode keine größeren Energiepreisspitzen gibt und der Getreidekorridor funktioniert, um die Lebensmittelpreise weltweit stabil zu halten. Unter diesen Voraussetzungen dürften auch die anderen Inflationsprognosen der OeNB erfüllt werden: 4 Prozent für 2024 und 3,1 Prozent für 2025. Dies beweist die Bedeutung der unabhängigen Geldpolitik der Regulierungsbehörde, die in Wien natürlich begrüßt wird.

Die Finanzaufsichtsbehörden in den USA wie in Europa sind gezwungen, die überschüssige Liquidität zu binden, die im Rahmen der quantitativen Lockerung ("Quantitative Easing") während der Pandemie in den Markt gegeben wurde. Es gibt keinen anderen Weg. Lassen Sie mich noch einmal betonen: Als sich das Coronavirus in der Welt ausbreitete, war die quantitative Lockerung eine notwendige Maßnahme. Die Zentralbanken waren gezwungen, ihre Volkswirtschaften mit Liquidität zu unterstützen und die Geldmenge zu erhöhen.

Überschüssige Liquidität abbauen

Jetzt ist es an der Zeit, die überschüssige Liquidität abzubauen und die Zinsen anzuheben. Ich glaube, dass der Weltmarkt diese Zeit ohne katastrophale Erschütterungen überstehen wird. Es ist nicht zu erwarten, dass sich die globale Finanzkrise, wie wir sie 2008 erlebt haben, wiederholen wird. Es geht heute um andere Instrumente, die eine andere Größenordnung haben. Dies ist ein wichtiger Hinweis für jene, die jetzt versuchen, der Öffentlichkeit Angst zu machen, indem sie behaupten, die Fed, die EZB und andere Regulierungsbehörden würden gezwungen sein, eine neue globale Emissionsrunde durchzuführen und ihre bisherigen Bemühungen, die Geldmenge zu binden, vollständig zunichtezumachen. Das wird nicht der Fall sein, denn es werden andere Instrumente eingesetzt.

Vor 15 Jahren funktionierte die quantitative Lockerung - die Zentralbanken kauften in großem Umfang Wertpapiere zurück. Jetzt aber werden Kreditmechanismen eingesetzt, was bedeutet, dass die Rückzahlung der Mittel gewährleistet sein muss. Dazu gehören kurzfristige Kredite an Banken mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr, langfristige Anleihen, Währungsswaps der Federal Reserve (gegen die EZB, die Bank of England, die Schweizerische Nationalbank, die Bank of Canada) und die Kreditvergabe durch die US-Zentralbank - Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC). Die Mittel werden in der ersten Phase zugeführt und im Laufe der Zeit wieder zurückgegeben (abgezogen). Die jetzt zur Stabilisierung der Finanzen eingeleitete Kreditvergabe wird sich daher kurzfristig auf die Inflation auswirken, und es lohnt sich nicht, darüber zu spekulieren.

Die geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbanken haben einen positiven Einfluss auf die Inflation. Die unabhängige und hochprofessionelle Politik der bereits erwähnten OeNB veranschaulicht dies sehr gut. Es würde mich freuen, wenn sich die Regulierungsbehörden in anderen Ländern nicht einmischen würden und die Zentralbanken ihre Arbeit unabhängig fortsetzen könnten, was uns alle dem 2-Prozent-Ziel näherbringen würde. Dies ist eben nur möglich, wenn die Unabhängigkeit der Zentralbanken gewahrt bleibt und politischer Druck auf sie verhindert wird. Denn nur unabhängige Zentralbanken können die Inflation bremsen und die Weltwirtschaft stabilisieren.

Der vorliegende Gastkommentar ist bereits auf www.leadersnet.at erschienen.