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Der Wirtschaftsstandort braucht mehr Ambition

Von Harald Breit

Gastkommentare
Harald Breit ist CEO des Beratungsunternehmens Deloitte Österreich.
© feelimage / Matern

Österreich bleibt klar hinter seinen Möglichkeiten.


Von der Corona-Pandemie über die geopolitischen Auswirkungen des Ukraine-Krieges bis zu den daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen: Derzeit prasselt eine Vielzahl an Herausforderungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich ein. Und als wäre das alles nicht schon genug, zeigt sich auch noch das Schreckgespenst einer drohenden Bankenkrise am Horizont. Ruhige Zeiten sehen anders aus.

Eines der größten Themen, das den Standort über die nächsten Jahrzehnte beschäftigen wird, ist allerdings die sich zuspitzende Lage am Arbeitsmarkt. Der vieldiskutierte Fachkräftemangel hat sich zu einem generellen Arbeitskräftemangel ausgewachsen, und die anrollende Pensionierungswelle der Baby-Boomer-Generation tut ihr Übriges. Trotz der Vorhersehbarkeit dieser Entwicklung sind darauf weder die Unternehmen noch die Politik ausreichend vorbereitet. Was muss daher jetzt passieren?

Eines ist klar: Nur wenn man den Status quo kennt, kann man die richtigen Hebel in Bewegung setzen, um gegenzusteuern. Im Rahmen des "Deloitte Radar" erheben wir deshalb jährlich Österreichs Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität. Das Bild der vergangenen Jahre ist deutlich: Österreich ist im europäischen Vergleich nur Mittelmaß und bleibt klar hinter seinen Möglichkeiten. Vor uns rangieren Länder wie die Schweiz, Schweden, Dänemark oder die Niederlande. Damit liegen eher die kleinen wendigen Schnellboote vorne, nicht die großen behäbigen Tanker. Österreich ist in diesem bildlichen Vergleich wohl am ehesten ein gemächliches Ausflugsschiff, das im Strom mittreibt, aber nicht wirklich vorankommt. Wir müssen uns dringend ambitionierte Ziele setzen und die Krise als Chance für einen grundlegenden Wandel begreifen.

Doch was heißt das konkret für den Arbeitsmarkt? Die befragten Firmen haben die wichtigsten Stellschrauben identifiziert: Umfassende Qualifizierungsoffensiven sowie Aus- und Weiterbildungskampagnen stehen auf der Wunschliste ganz oben, 86 Prozent der befragten Führungskräfte befürworten einen Zuzug für Schlüsselbranchen, 83 Prozent fordern auch einen erleichterten Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete. Ein flächendeckender Ausbau der Kinderbetreuung sowie die Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort haben ebenfalls hohe Priorität.

Auch bei den Steuern findet sich ein zentraler Hebel. Die Abschaffung der kalten Progression war ein erster wichtiger Schritt, aber Österreich hat nach wie ein Hochsteuersystem. Die aktuellen Kosten des Faktors Arbeit machen es schwierig, die benötigten qualifizierten Arbeitskräfte aus dem Ausland zu gewinnen. Eine weitere Senkung der Lohnnebenkosten und der Einkommensbesteuerung wäre dringend nötig. Auch effiziente Prozesse werden angesichts der Personalengpässe immer wichtiger. So spielt die umfassende Digitalisierung aller Bereiche eine Schlüsselrolle für die Lösung der aktuellen Lage. Mehr als 90 Prozent der befragten Managerinnen und Manager sehen hier Handlungsbedarf im Bildungssystem, aber auch in der öffentlichen Verwaltung und im Gesundheitssystem.

Die Unternehmen sind also bereit für ambitionierte Schritte und strukturelle Veränderung. Die Politik muss jetzt reagieren - mit besseren Rahmenbedingungen für erfolgreiches Wirtschaften.

Der "Deloitte Radar" ist auf www.deloitte.at/radar nachzulesen.