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Zweifacher Mord

Von Daniel Wisser

Gastkommentare
Daniel Wisser ist Schriftsteller und preisgekrönter Buchautor. In seiner ZackZack-Kolumne "Aufwachen" kommentiert er aktuelle Entwicklungen mit profundem historischem Wissen, sprachlicher Brillanz und kritischem Blick auf Österreichs Eliten. (www.danielwisser.net). Sein Gastkommentar ist auch auf www.zackzack.at erschienen.
© Martin Rauchenwald

Die "Wiener Zeitung", die 1703 das erste Mal erschien, wurde von zwei Regimen ermordet: von den Nationalsozialisten und von der schwarz-grünen Regierung.


Am 29. Februar 1940 konnte man auf der Titelseite der "Wiener Zeitung" Folgendes lesen: "Mit der heutigen Ausgabe stellt die ‚Wiener Zeitung‘ ihr Erscheinen ein. Als ein Wesen der Zeit haben auch Zeitungen, wie schon ihr Gattungsname verkündet, eine Lebensbahn; auch sie haben einem Lebenszweck zu dienen, ihn zu erfüllen, schließlich zu beendigen."

Dass die Nationalsozialisten das Ende von Millionen Lebensbahnen herbeiführten, ist bekannt. Dass die schwarz-grüne Regierung bei der Ermordung der "Wiener Zeitung" zu ihrem Wiedergänger wird, ist seit kurzem ebenfalls eine historische Tatsache. Dass die ÖVP kulturfeindlich agiert und die Pressefreiheit bekämpft, ist nichts Neues. Sie will eine Landschaft mit möglichst wenigen Massenmedien, und unter diesen durch hohe Förderungen wenige große Player etablieren. Damit ist die Verbreitung von Propaganda einfacher und übersichtlicher möglich. Im Ibiza-Video spricht H. C. Strache diese Strategie aus und auch, wer das europäische Vorbild dafür ist.

Falsch informiert

Warum die Grünen völlig unnötigerweise diese antidemokratische Politik unterstützen, bleibt ein Rätsel. Mit ihren Stimmen wäre im Nationalrat die zweite Ermordung der "Wiener Zeitung" einfach zu verhindern gewesen. Wir wissen auch aus einem sehr gut recherchierten Artikel von Alexandra Föderl-Schmidt in der "Süddeutschen Zeitung", dass die Öffentlichkeit von Ministerin Raab und der Grünen Abgeordneten Blimlinger über das Interesse an einer Weiterführung der "Wiener Zeitung" konsequent falsch informiert wurde.

Und so bleibt uns nur noch festzustellen, dass dem Medienzerstörungsfeldzug dieser Regierung eine ganz klare Strategie zugrunde liegt. Es können so viele Chats zwischen ÖVP-Politikern und mächtigen Medieneigentümern und Chefredakteuren auftauchen, wie man will, der Weg der Entdemokratisierung wird eisern weitergegangen.

Rausch des Populismus

Im Rausch des Populismus, der bei den Grünen eher ein Passivrausch ist, wird übersehen, dass man sich damit das Leben in der Zukunft selbst erschwert. Die Brücken, die die Grünen mit der aufgeklärten liberalen Gesellschaft verbinden, abzureißen, schafft ein Zukunftsproblem für diese Partei.

Ihre falsche Einschätzung der Boulevardmedien seit Zwentendorf und Hainburg, die erst den Erfolg der Kraftwerksgegner möglich gemacht hat, ist ein grundlegendes Missverständnis. Zum einen liegen beide vor dem ersten Einzug der Grünen in den Nationalrat, der erst 1986 erfolgte. Zum anderen war das Motiv der Mobilisierung durch den Boulevard nicht der Umweltschutz, sondern die Fundamentalopposition gegen eine SPÖ-Alleinregierung und eine SPÖ-geführte Koalition.

Personelle Provinzialisierung

In allen Belangen des Klimaschutzes oder der Reduktion von Emissionen werden die Grünen im Boulevard keinen Partner finden. Dass Grüne von Günter Nenning bis Rudolf Anschober die "Kronen Zeitung" hofiert und in ihr publiziert haben, war ihrer Frustration durch die Politik geschuldet und Wasser auf die Mühlen des revanchistischen und populistischen Duktus dieser Zeitung, die vorgibt mit der Macht hart ins Gericht zu gehen, während sie selbst die größte Macht sein will.

Man hat lange negiert, dass es bei den Grünen ein liberales, aufklärerisches und ein reaktionäres, anti-aufklärerisches Lager gibt. Wie die ÖVP (und vielleicht bald auch die SPÖ) provinzialisieren auch die Grünen das Personal der grünen Bundespartei und entfernen sich damit mehr von der liberalen, städtischen Bewegung, die sie einst waren.

Verelendung der Medien

Für die Gesellschaft ist der Wegfall einer Zeitung wie der "Wiener Zeitung", die verlässlich über Kunst und Kultur informiert hat, eine weitere Katastrophe in der Verelendung und Quasi-Verstaatlichung der österreichischen Medien. Die bildungsfeindliche und informationsfeindliche Politik der Regierung zerstört eine Errungenschaft, die in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg so hart erkämpft werden musste und sich erst in den 1980er und 1990er Jahren wirklich etabliert hat: freie und kritische Medien.

Der Schriftsteller und Historiker Doron Rabinovici schrieb im "Standard" vom 12. Jänner 2023: "Wen wundert’s, wenn die Volkspartei, diese Herren der Message-Control, einen Vorreiter der freien Presse liquidieren wollen? Es sind jedoch nicht die Türkisen, die der Tageszeitung den eigentlichen Todesstoß versetzen. Nicht Ministerin Susanne Raab, sondern Eva Blimlinger, die Mediensprecherin der Grünen, verteidigt das Vorhaben so prononciert, als wäre das Organ der Republik eine fossile Energieform und deren Abdrehen ein ökologisches Projekt."

Der Tag wird kommen, an dem sich dieser Mord für die Grünen bitter rächen wird. Dann wird es allerdings zu spät sein. Heute bleibt nur zu sagen: Schämt Euch, Grüne! Schämt Euch in Grund und Boden!

Demonstration gegen die Einstellung der "Wiener Zeitung" als Tageszeitung
Dienstag, 25. April, 18 Uhr
1010 Wien, Helmut-Zilk-Platz (vor der Albertina) - Demonstrationszug zum Bundeskanzleramt